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Von Skulptur, Plastik und der dreidimensionalen Kunst

Sie möchten sich vor Ihrem Besuch über unsere aktuellen Ausstellungen informieren? Etwas nach Ihrem Besuch recherchieren? Oder weitere Hintergrundinformationen zu bestimmten Werken erhalten?

In unserem Magazin werden Sie fündig...

  • Installationsansicht »RODIN / ARP«
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    Blick in die Ausstellung »RODIN / ARP«
    © für die Werke Hans Arps: VG Bild-Kunst, Bonn 2021 | Foto: Thomas Köster/ www.kunstarztpraxis.de
  • Installationsansicht »RODIN / ARP«
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    Blick in die Ausstellung »RODIN / ARP«
    © für die Werke Hans Arps: VG Bild-Kunst, Bonn 2021 | Foto: Helmut Reinelt
  • Stella Hamberg, vom Verrecken und der absoluten Unmöglichkeit zu sterben 2 - der Gefährte, 2008
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    Stella Hamberg, Hund, 2013
    © Sammlung Ina Bitter und Dr. Roland Quinten, Foto: Mick Vincenz
  • Stella Hamberg, sieben100millionen, 2008 | Trance 2, 2016-18 | Trance 3, 2016-18
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    Stella Hamberg, sieben100millionen, 2008 | Trance , 2016-18 | Trance 3, 2016-18
    © sieben100millionen, Sammlung Hense | Trance 3, Sammlung Brecht-Bergen; Foto: Mick Vincenz
  • Installationsansicht »In Form!«
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    Blick in die Ausstellung »In Form!«
    © Foto: Helmut Reinelt
  • Installationsansicht »In Form!«
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    Blick in die Ausstellung »In Form!«
    © Foto: Helmut Reinelt

Einführung

Dieses Museumsjahr ist bei uns »Fantastisch plastisch«. Mit insgesamt drei Ausstellungen nähern wir uns den Fragen, was Skulptur und Plastik war und ist, was die Generation von Auguste Rodin und diejenige Hans Arps maßgeblich bewegt hat sowie was aktuelle Künstlerinnen wie Stella Hamberg heute lieben und hoffen.

Die Kunstkammer Rau rückt mit »IN FORM!« seit März die historische Entwicklung der Skulptur in den Fokus. Welche Innovationen lassen sich vom Mittelalter bis in die Moderne erkennen und welche Motive wurden überhaupt in Form und auf einen Sockel gebracht?

Seit Mai steht dem Rückblick eine beeindruckende zeitgenössische Position gegenüber. Die Berliner Bildhauerin Stella Hamberg gewährt mit »Corpus« einen umfassenden Einblick in ihre aktuelle Arbeit. Anknüpfend an bildhauerische Traditionen entwickelt sie in ihren Werken neue Antworten auf die Frage nach der Darstellbarkeit der menschlichen Figur.

Ein weiteres Highlight ist unsere Ausstellung »Rodin/Arp«, die seit Juni zu sehen ist. In einer einzigartigen Gegenüberstellung lassen sich gemeinsame Prinzipien und Elemente in ikonischen Werken der beiden Großmeister der modernen Plastik feststellen. Gemeinsam führen Sie auf den Weg hin zur Abstraktion als Grundprinzip der Moderne.

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Kirchen, Altäre, Sockel und Denkmäler - eine kurze Einführung in die Geschichte der Bildhauerei

Wofür wurden Skulpturen und Plastiken hergestellt? Und wie änderten sich die ästhetischen Ansprüche während der Jahrhunderte?

Unsere kurzen historischen Einführungen versuchen einen ersten Überblick und Orientierung zu geben. Mehr gibt es bei uns im Museum zu entdecken.

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Mittelalter

  • Werkstatt des Meisters des Retabels in Lautern, Hl. Barbara, ca. 1509
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    Werkstatt des Meisters des Retabels in Lautern, Hl. Barbara, ca. 1509, Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF
    © Foto: GRUPPE Köln, Hans G. Scheib
  • Diptychon mit Szenen aus dem Leben Christi
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    Diptychon mit Szenen aus dem Leben Christi, Frankreich, 1. Hälfte 14. Jh., Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF
    © Foto: Mick Vincenz

Im Mittelalter waren es in Europa die Kirche, der Adel und das zunehmend wichtiger werdende städtische Patriziat, die Aufträge für Skulpturen erteilten. Werkstätten führten die Aufträge vornehmlich in Stein oder Holz aus. Die einzelnen Figuren waren in der Regel in mehrfigurige Szenen eingebunden. Als Teile eines vorgegebenen Bildprogramms schmückten sie die Innenräume und Fassaden der Kirchengebäude, Altäre oder Kanzeln. Dort erzählten sie den Gläubigen, die häufig nicht lesen und schreiben konnten, die Heilsgeschichte. Auch war man überzeugt, dass das Anbeten oder Berühren der dargestellten Heiligen vor Unheil bewahren, Schmerzen lindern oder gar heilen konnte.

Bewegte Geschichte

Anonym, Apostel Petrus, Ende 13. Jh. © Arp Museum Bahnhof Rolandseck/ Sammlung Rau für UNICEF, Foto: Gruppe Köln, Hans G. Scheib
Kniende Maria (Teil einer Anbetungsszene oder Marienkrönung), um 1480, Deutschland/ Südtirol © Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Foto: Mick Vincenz
Pierre Viguier (Werkstatt), Kopf der Maria Magdalena (Fragment), um 1460-1490 © Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Foto: Mick Vincenz

Im Laufe der Jahrhunderte wurden Kirchen zerstört, umgebaut und dem jeweiligen Zeitgeschmack und den liturgischen Bedürfnissen angepasst. Bilder und Skulpturenschmuck, die nicht mehr dem Zeitgeist entsprachen, wurden umgearbeitet oder aus den Kirchen entfernt. Nach der französischen Säkularisation, als viele Kirchen und Klöster aufgegeben und geschlossen wurden, gelangten einige Skulpturen auch in private Sammlungen oder Museen. Viele Statuen sind dadurch nur noch als Fragmente erhalten, die ihren ganz eigenen Charme besitzen. Manchmal haben sie, aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang genommen und ihrer Attribute beraubt, auch eine ganz neue Bedeutung bekommen.

Skulpturen in Bewegung

Himmelfahrtschristus, um 1520, Oberrhein/ Straßburg? © Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Foto: Mick Vincenz

Im Rahmen der kirchlichen Liturgie wurden Skulpturen im Mittelalter nicht nur angebetet, sondern auch aktiv in die Zeremonien integriert. In der Kunstkammer Rau ist momentan die Holzfigur eines sogenannten Himmelfahrt-Christus zu sehen, der mithilfe eines Seilzuges gen Kirchendecke gezogen werden konnte. Das belegen noch die Haken, die auf der Rückseite der Figur zu sehen sind. Ähnliche Beispiele sind für Figuren in ganz Europa dokumentiert. So war es durchaus üblich während den Messfeierlichkeiten an Ostern und Karfreitag Christus vom Kreuz zu nehmen und dort wieder zu platzieren. Das (wundertätige) Figuren von den Gläubigen bewegt werden, passiert heute aber immer noch. Vielleicht kennen Sie die Bilder der Himmelfahrtsprozessionen - bekannte Beispiele sind Bamberg, Brügge und Valencia.

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Renaissance und Barock

  • Die Weinlese | Francisco Bertos | Anfang 18. Jhd.
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    Francesco Bertos, Die Weinlese, Anfang 18. Jhd., Sammlung Rau für UNICEF
    © Foto: Mick Vincenz
  • Filippo Parodi, Frauenbüste, ca. 1675-1699
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    Filippo Parodi, Frauenbüste, ca. 1675-1699, Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF
    © Foto: Mick Vincenz
  • Bethlehemitischer Kindermord, Italien, ca. 1690
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    Bethlehemitischer Kindermord, Italien, ca. 1690, Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF
    © Foto: Mick Vincenz

Im Barock war die Bildniskunst theatralisch bewegt. In den Gärten und Innenräumen barocker Schlösser tummelten sich spielerisch-lustvoll steinerne antike Götter und Göttinnen. Bei Figurengruppen wie Francesco Bertos‘ Weinlese schrauben sich die Figuren in tänzelnder Aufwärtsbewegung manieriert in die Höhe. In gebildeten Kreisen war es sehr beliebt, Stücke wie dieses zu sammeln, sie bei Festveranstaltungen zu zeigen und ihre Thematik zur Unterhaltung der Gäste entschlüsseln zu lassen.

Antikensehnsucht

Leonhard Kern (zugeschr.), Fulvia mit Haupt des Cicero, um 1625 © Arp Museum Bahnhof Rolandseck/ Kunstsammlung Rau für UNICEF, Foto: GRUPPE Köln, Hans G. Schreib
Simon Troger, Jupiter mit Adler, Mitte 18. Jhd. © Arp Museum Bahnhof Rolandseck/ Kunstsammlung Rau für UNICEF, Foto: GRUPPE Köln, Hans G. Schreib

Mit der Wiederentdeckung der Antike in der Renaissance hielten mehr und mehr antike Sujets Einzug in die Kunst und Bildhauerei nach 1500. Antike Sagen und Geschichten faszinierten und antike Heldengestalten und Reliefs verhalfen Künstler*innen zu kreativen Höhenflügen.

Die in der Kunstkammer Rau zu sehende Skulptur greift beispielsweise die Geschichte der Fulvia auf: die römische Matrona wird mit dem Kopf des politischen Gegners ihres Mannes Marcus Tullius Cicero dargestellt. Die Legende besagt, dass sie den von Marcus Antonius im Forum Romanum ausgestellten Kopf geschmäht und die Zunge mit ihrer Haarnadel durchstochen habe.

Antike Götter wurden ebenso wiederbelebt. Jupiter wird von Simon Troger in der Mitte des 18. Jahrhunderts mitsamt seines Boten, einem Adler, theatralisch in Szene gesetzt. Die Kombination der Materialien Holz und Elfenbein verleihen der Figur eine besondere Eleganz und Dramatik.

Bildhauer*innen in der Frühen Neuzeit

Michiel Sweerts, Das Atelier, 1650 (Detail), Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF © Foto: Mick Vincenz

Antike Sujets spielten in der Ausbildung von Bildhauer*innen ebenso eine wichtige Rolle. Im betriebsamen Atelier, das Michiel Sweerts in seinem Gemälde zeigt, fallen neben einem sickenden weiblichen Modell vor allem die herumliegenden Köpfe und Bruchstücke von Gipsen ins Auge. Sie verweisen auf die antiken Skulpturen, die vielfach nur als Bruchstücke, sogenannte Torsi, erhalten sind. Sie waren teilweise bereits im Mittelalter bekannt und wurden seit dem 15. Jahrhundert systematisch ausgegraben. Als Gipsabgüsse vervielfältigt, dienten sie Künstlerinnen und Künstlern aller Gattungen als Lehrstücke und Inspirationsquelle. Das Antikenstudium blieb bis ins 19. Jahrhundert wesentlicher Bestandteil jeder künstlerischen Ausbildung. Vielfach versuchte man die Bruchstücke wieder zusammenzufügen, um die ideale Ursprungsfigur der Antike wiederherzustellen. Kein geringerer als Michelangelo verweigerte allerdings bei dem berühmten Torso vom Belvedere die Komplettierung und trug so maßgeblich zur Entwicklung des Torso-Motivs in der Kunst bei. Dieses sollte für Rodin und die Bildhauerinnen und Bildhauer der Moderne zu einem zentralen Thema werden.

Um die antiken Plastiken im Original studieren zu können, reisten viele Künstler*innen in den Süden Europas. Die sogenannte Grand Tour gehörte nicht nur für Kreative zum guten Ton, sondern ebenso für Adlige und besser situierte Bürger.

Die Faszination der Bewegung

Tod des Milon von Kroton, 17. Jhd., Flandern © Arp Museum Bahnhof Rolandseck/ Kunstsammlung Rau für UNICEF, Foto: GRUPPE Köln, Hans G. Schreib
Francesco Bertos, Die Weinlese, Anfang 18. Jhd., Sammlung Rau für UNICEF © Foto: Mick Vincenz

Die Faszination an den theatralischen Darstellungen des menschlichen Körpers führten ebenso zu neuen Darstellungen. Waren im Mittelalter viele Figuren noch mit der Architektur verbunden und hatten deshalb nur eine Schauseite, weil sie für eine Nische vorgesehen waren, setzen sich ab der Renaissance mehr und mehr Figuren durch, die vollplastisch – d.h. von allen Seiten anzusehen – sind. Mit der Wiederentdeckung antiker Skulpturen, treten immer waghalsigere Darstellungen von Bewegung auf den Plan. Im 16. Jahrhundert ist die Figura Serpentinata ein beliebtes Motiv. Bei dieser Darstellung winden sich die Figuren besonders eindrucksvoll, daher auch der Name, der übersetzt so viel wie schlangenartig bedeutet.

Kunst- und Wunderkammern

Jan Siberechts, Das Kabinett eines Kunstliebhabers, 1661-1672 © Arp Museum Bahnhof Rolandseck/ Kunstsammlung Rau für UNICEF, Foto: Peter Schälchli
David Teniers d. Jüngere, Erzherzog Leopold Wilhelm in seiner Gemäldegalerie, ca. 1650 © Kunsthistorisches Museum Wien

Nach dem Mittelalter sind Skulpturen nicht mehr ausschließlich im kirchlichen Kontext zu bewundern. Private Sammler*innen richteten sich Kunst- und Wunderkammern ein, in denen Schönes, Kurioses und Bedeutungsvolles zusammengetragen wurde. Der Anspruch der Sammlungen war es, die Phänomene der Welt im Kleinen zusammenzutragen und so universale Wissensbezüge zu veranschaulichen. Gleichzeitig waren gutausgestattete Sammlungen Demonstrationen herrschaftlicher Macht. Von besonderem Interesse waren darum Kunstwerke aus kostbaren Materialien wie Elfenbein, exotische Pflanzen oder Tierpräparationen.

Jan Siberechts Gemälde Das Kabinett eines Kunstliebhabers zeigt uns heute noch, welch wichtige Rolle die eigene (Kunst-)Sammlung für die machtvolle Inszenierung spielte. Das Ehepaar lässt sich inmitten ihrer Kunstschätze darstellen. Dort finden sich vom prächtigen Gemälde bis zur Kleinskulptur allerlei Schätze.

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Bildnisskulptur

  • Francois-Joseph Martin, Porträtbüste Voltaires, 1778-1795
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    Francois-Joseph Martin, Porträtbüste Voltaires, 1778-1795
    © Arp Museum Bahnhof Rolandseck/ Kunstsammlung Rau für UNICEF, Foto: Mick Vincenz
  • Porträtbüste des Seneca, 18. Jhd.
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    Porträtbüste des Seneca, 18. Jhd., Italien?
    © Arp Museum Bahnhof Rolandseck/ Kunstsammlung Rau für UNICEF, Foto: Mick Vincenz
  • Louis Gauffier, Porträt von Henry Richard Vassall-Fox, 3rd Lord Holland mit kleinem Hund, 1795
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    Louis Gauffier, Porträt von Henry Richard Vassall-Fox, 3rd Lord Holland mit kleinem Hund, 1795
    © Arp Museum Bahnhof Rolandseck/ Kunstsammlung Rau für UNICEF, Foto: Peter Schälchli
  • John Michael Rysbrack, Porträtbüste des Daniel Finch, Earl of Winchilsea and Nottingham, um 1744
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    John Michael Rysbrack, Porträtbüste des Daniel Finch, Earl of Winchilsea and Nottingham, um 1744
    © Arp Museum Bahnhof Rolandseck/ Kunstsammlung Rau für UNICEF, Foto: Mick Vincenz

Bereits in der Antike gab es Porträtbüsten der Cäsaren und hochgestellter Persönlichkeiten der Gesellschaft. Im Mittelalter waren sie vornehmlich religiösen Motiven gewichen. In der Renaissance rückte mit dem Humanismus der Mensch in den Mittelpunkt der künstlerischen Auseinandersetzung. Dank der antiken Vorbilder kamen Bildnisse von Herrschern und Herrscherinnen wieder in Mode. Ein Beispiel ist die Porträtbüste von Papst Clemens VII. aus der Familie der Medici.

Im 18. und 19. Jahrhundert wurden im Zuge der Aufklärung auch bedeutende Persönlichkeiten und Vorbilder aus Philosophie, Wissenschaft, Literatur, Musik und Kunst auf den Büstensockel gehoben. Ihre Denkmäler eroberten mehr und mehr auch den öffentlichen Raum. Sie verkünden den Glauben an die Zukunft und den Fortschritt.

Im privaten Bereich lebten die Ahnengalerien der verehrten Antike wieder auf. Hier feierte man sich selbst oder die Familie. Die Marmor- oder Terrakotta-Porträts dieser Epoche sind präzise und sachlich. Nah am Original schildern sie die Dargestellten bis in das kleinste Detail. Der Earl of Nottingham präsentiert sich nun einem römischen Senator gleich und rekurriert damit auf die antiken Vorbilder.

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Impressionismus

Paolo Troubetzkoy, Elin Troubetzkoy im japanischen Kostüm, ca. 1906, Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF © Foto: Mick Vincenz

Woran denken Sie beim Impressionismus? An Gemälde von Monet, Matisse oder Manet?

Die Malerei mit ihrem lockeren Duktus löst bei Kunst-Fans bis heute Begeisterungsstürme aus. Die Vielfalt impressionistischer Skulpturen ist weniger bekannt. In den sogenannten Impressionisten-Ausstellungen in Paris Ende des 19. Jahrhunderts waren stets Skulpturen vertreten. Während sich die impressionistische Malerei durch skizzenhafte und vermeintlich ‚unfertige‘ Sujets gegen die akademische Malerei wandte, waren die Skulpturen diverser — von klassischen Bearbeitungstechniken bis hin zu einer wilden Oberflächenbearbeitung widmeten sich die Künstler*innen ihren Werkstoffen.

Ein besonders elegantes Beispiel befindet sich in der Kunstkammer Rau. Paolo Troubetzkoy schuf die kleine Statue seiner Frau, bei der er mit neuen Techniken experimentierte. Elin Troubetzkoy trägt ein japanisches Gewand. Den damaligen Sehgewohnheiten zum Trotz stellt Paolo Troubetzkoy sie nicht möglichst realistisch dar, sondern versucht im Sinne des Impressionismus einen bestimmten Moment einzufangen. Die Oberfläche zeigt darum Spuren der Bearbeitung. Sie ist uneben und fängt gerade dadurch unvergleichlich Licht und Schatten ein. Über seine Art zu arbeiten schrieb Troubetzkoy einst: »Was ich tun möchte, ist, die Eindrücke, die ich von der Natur empfange, so getreu wie möglich zu vermitteln, ohne mich um die künstlerischen Produktionen der Vergangenheit oder Gegenwart zu kümmern, die mir niemals die Intensität des Gefühls vermitteln können, die ich durch direkte Beobachtung erhalte.«

Rodin gilt mit seinem revolutionären Schaffen als einer der bedeutensten Künstler*innen des Impressionismus. Weitere Informationen zu ihm, finden Sie weiter unten im Magazin.

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Materialien

Momentan lassen sich in unserem Museum ganz unterschiedliche Skulpturen bestaunen. Glatte und bewegte Oberflächen überraschen ebenso wie ungewöhnliche Farbverläufe auf den Skulpturen. Andere Figuren offenbaren unter Schichten abgesplitterter Farbe ihre Holzmaserung.

Gemeinhin werden die Begriffe Skulptur und Plastik synonym verwendet. Plastik bezieht sich jedoch auf die Bearbeitung von weichen, formbaren Materialien, während sich die Skulptur durch das Abtragen von harten (z.B. Holz, Stein, Elfenbein usw.) Materialien definiert. Sie wird darum oft als „subtraktives“ Verfahren benannt.

Die vielfältigen Materialien und Techniken lassen sich in unserer Bildhauerei-Werkstatt entdecken und selbst ausprobieren.

Bronze

  • Entstehungsprozess der Skulptur »vom Verrecken und der absoluten Unmöglichkeit zu sterben 2 – der Gefährte«
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    Entstehungsprozess der Skulptur »vom Verrecken und der absoluten Unmöglichkeit zu sterben 2 – der Gefährte« von Stella Hamberg (2008/2021) in der Gießerei Knaak, Berlin
    © Foto: Mick Vincenz
  • Entstehungsprozess der Skulptur »vom Verrecken und der absoluten Unmöglichkeit zu sterben 2 – der Gefährte«
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    Entstehungsprozess der Skulptur »vom Verrecken und der absoluten Unmöglichkeit zu sterben 2 – der Gefährte« von Stella Hamberg (2008/2021) in der Gießerei Knaak, Berlin
    © Foto: Mick Vincenz
  • Entstehungsprozess der Skulptur »vom Verrecken und der absoluten Unmöglichkeit zu sterben 2 – der Gefährte«
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    Entstehungsprozess der Skulptur »vom Verrecken und der absoluten Unmöglichkeit zu sterben 2 – der Gefährte« von Stella Hamberg (2008/2021) in der Gießerei Knaak, Berlin
    © Foto: Mick Vincenz

Die Technik des Bronzegusses ist schon sehr alt, wenngleich sich die einzelnen Materialien und Arbeitsschritte im Laufe der Jahrhunderte verändert haben. Die grundlegenden Prinzipien des Gussverfahrens sind hierbei jedoch gleich geblieben.

Für die aktuelle Ausstellung fertigte die Künstlerin Stella Hamberg eine neue Auflage ihres Werks vom Verrecken und der absoluten Unmöglichkeit zu sterben 2 – der Gefährte an. Anhand der oben zu sehenden Fotos erhalten Sie Einblick in den Entstehungsprozess der Bronzeskulptur in der Berliner Gießerei Knaak. Das Resultat können Sie live auf unserer Ausstellungsetage bewundern.

Alles beginnt mit dem ursprünglichen Modell des*r Künstler*in. Dieses entsteht in mühsehliger Handarbeit und wird für das Gießen präpariert. Beim sogenannten Wachsausschmelzverfahren sind viele Arbeitsschritte notwendig, um das ursprüngliche Modell schließlich in Bronze gießen zu können.

Für die Erstellung der Gussform wird zunächst ein sogenanntes Wachspositiv erstellt. Hierfür wird das Original zur Hälfte mit Tonplatten belegt, die daraufhin mit Gips überzogen werden. Sobald der Gips getrocknet ist, wird er von den Gipsstützschalen entfernt und die Schalen wieder um das Modell gelegt. Der Hohlraum zwischen Original und Gips wird daraufhin mit flüssiger Gelatine oder Silikon ausgegossen. Die so entstandene Form ist nach der Abnahme vom Original bereit für die weitere Verarbeitung.

Beide Formen werden zusammengefügt und mit heißem Wachs ausgegossen, sodass eine Hohlform entsteht, die auch Wachsrohling genannt wird. Der Rohling wird mit einem Schamottekern, einem feuerfesten Material, gefüllt und kann danach nochmals von der*dem Künstler*in retuschiert werden. Danach wird der Körper mit Gips-Schamotte umhüllt, die sogenannte Schamotteform entsteht. Diese wird einige Tage im Brennofen gebracht, sodass die Wachsschicht schmilzt. In die so entstandenen Hohlräume wird dann die flüssige Bronze gegossen. Nachdem die Bronze erkaltet ist, wird der Schamottenmantel abgeschlagen. Danach schließen sich weitere Arbeitsschritte der Oberflächenbearbeitung an, wie z.B. das Veredeln mit einem speziellen Überzug, der sogenannten Patina, die den Skulpturen eine bestimmte Farbe verleihen.

Für große Bronzefiguren, wie den Gefährten wird nicht ein großes Wachspositiv erstellt, sondern Gussformen für einzelne Teilbereiche der Figur angefertigt, die im Nachgang aneinander geschweißt werden.

Stein

Steinblock sowie Werkzeuge © Foto: Helmut Reinelt

Vielfältige Gesteinsarten können für die Erstellung einer Skulptur oder eines Reliefs zum Einsatz kommen. Neben Kalk- und Sandstein, ist Marmor wohl das bekannteste Material, aus dem Figuren geschaffen werden. Die Härte des verwendeten Gesteins entscheidet darüber, welche Werkzeuge zur Bearbeitung genutzt werden. Viele davon gibt es in unserer Werkstatt im historischen Bahnhof zu entdecken.

Wie bei der Herstellung einer Bronzeplastik sind auch bei der Stein-Bildhauerei Handwerk und Kunst eng miteinander verbunden. Nicht alle Künstler*innen schlagen ihre Figuren selbst aus dem Stein, manche beauftragen hierfür ebenso Handwerker*innen oder Assistent*innen.

Gips

Gips lässt sich auf vielerlei Art in der Bildhauerei verwenden. Mit Hilfe von flüssigem Gips lassen sich in einem ähnlichem Verfahren, wie dem Bronzeguss zuvor gefertigte Modelle nachgießen und vervielfältigen. Ebenso ist es möglich aus einem Block Gips, ähnlich der Steinbildhauerei eine Skulptur zu fertigen. Hierfür wird der Block mithilfe von Werkzeugen beschlagen und bearbeitet. Gipsbinden bieten weiterhin die Möglichkeit gefertigte Figuren zu überziehen und ihnen eine neue Oberflächentextur zu verleihen. Stella Hamberg nutzte bei der Fertigung ihrer Skulptur die Taube Gips, dessen textile Struktur sich noch an den Oberflächen der Bronze erkennen lassen.

Holz

Werkzeuge zur Holzbearbeitung © Foto: Helmut Reinelt
Werkzeuge zur Holzbearbeitung © Foto: Helmut Reinelt

Holz erfreute sich insbesondere im Mittelalter als Werkstoff für Skulpturen großer Beliebtheit. Darum überrascht es nicht, dass in unserer aktuellen Ausstellung »In Form!« besonders viele Skulpturen aus Holz vertreten sind. Das Bildschnitzen galt damals als eigenständige Kunst, derer es einer umfassenden Ausbildung in einer Werkstatt bedurfte. Welches Holz verwendet wurde, richtete sich oftmals nach den lokalen Begebenheiten. Im nördlichen Europa wurde darum oft auf Eiche oder Linde zurückgegriffen, während im südlichen Europa Nussbaum oder Pinie beliebt war. Natürlich besitzt jedes Holz eine eigene Härte, was die Verarbeitung manchmal schwerer oder einfacher macht.

In der Kunst der klassischen Moderne war Holz ebenso beliebt, wie beispielsweise die Skulpturen Herrmann Scherers oder Arps Reliefs eindrucksvoll unter Beweis stellen.

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Sie haben Lust die unterschiedlichen Techniken auszuprobieren?Dann besuchen Sie einen unserer Workshops in unserer neu eingerichteten Bildhauerei-Werkstatt!

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Bildhauerei - eine Frage des Geschlechts?

Die ungleiche Behandlung der Geschlechter zieht sich durch die Geschichte der Kunst. Vasari berücksichtigte im 16. Jahrhundert keine weibliche Künstlerin in seinen Viten und Frauen blieb über weitere Jahrhunderte der Zugang zu den Kunstakademien verwehrt. Nicht zuletzt durch die #metoo Debatte wurde die Kunstwelt in den letzten Jahren kritisch hinterfragt und das Thema Sexismus in den Fokus gerückt.

Noch heute gilt die Bildhauerei gemeinhin als ‚Männerdomäne‘. Diese strenge Einteilung wird dadurch verstärkt, dass lange Zeit zwischen vermeintlich männlichen und weiblichen Werkstoffen unterschieden wurde. Als männliche oder starke Materialien gelten Stein, Bronze oder Stahl, für deren Bearbeitung ein erheblicher Kraftaufwand notwendig ist. Materialien, die sich leichter bearbeiten lassen werden oftmals eher weiblichen Künstlerinnen zugeschrieben.

Die hier nur skizzierten Diskurse führen in ihrer Konsequenz dazu, dass weniger Bildhauerinnen weltweiten Ruhm erlangen. Wie viele Bildhauerinnen können Sie zum Beispiel auf Anhieb benennen?

Umso herausragender erscheinen Positionen, die sich trotzdem in der Kunstwelt als Bildhauerinnen behaupten können. Einige herausragende Künstlerinnen durften wir bereits bei uns im Museum begrüßen. Wie Barbara Hepworth, deren abstrakte Skulpturen weltweiten Ruhm erlangten. 2013 war ebenso Tara Donovan zu Gast und zog die Besucher*innen mit ihren organischen Gebilden in den Bann. Nicht zuletzt die aktuelle Ausstellung Stella Hambergs beweist uns, dass die althergebrachten Mythen von einem männlichen Künstlergenie und eine geschlechtsspezifische Einteilung von Werkstoffen längst der Vergangenheit angehören sollten.

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Unsere Protagonist*innen

  • Stella Hamberg_das ist das
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    Stella Hamberg, das ist das, 2015
    © Stella Hamberg, courtesy Galerie EIGEN+ART Leipzig/Berlin, 2020 | Foto: Mick Vincenz
  • Der Denker
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    Auguste Rodin, Der Denker, 1903
    © Kunsthalle Bielefeld, Foto: Mark Niedermann
  • Hans Arp | Wachstum | 1938 | Solomon R. Guggenheim Museum, New York | Solomon R. Guggenheim Foundation, New York. All Rights Reserved/ © VG Bild-Kunst, Bonn 2021
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    Hans Arp, Wachstum, 1938, Solomon R. Guggenheim Museum, New York
    © Solomon R. Guggenheim Foundation, New York. All Rights Reserved/ © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Im lichtdurchfluteten Richard Meier-Bau haben wir dieses Jahr ganz besondere Künstler*innen zu Gast. Während im Ergeschoss Auguste Rodin und Hans Arp in einen posthumen künstlerischen Dialog treten, erwarten Sie im Obergeschoss die beeindruckenden Arbeiten der zeitgenössischen Künstlerin Stella Hamberg. In diesem Trialog wird deutlich, welche Tendenzen und Umbrüche sich seit der Moderne in der Bildhauerei Bahn brechen.

Im folgenden möchten wir unsere Protagonist*innen und einige ihrer Arbeiten näher vorstellen.

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Auguste Rodin

Auguste Rodin inmitten seiner Skulpturen im Pavillon de l’Alma, Meudon, um 1902, Foto von Eugene Druet © Agence photographique du musée Rodin

Heute gilt Auguste Rodin als der Wegbereiter der modernen Bildhauerei. Mit Werken wie dem Denker, dem Höllentor und den Bürgern von Calais überwand er die akademische Bildsprache des 19. Jahrhunderts und formulierte wesentliche Aspekte der Moderne: das Motiv des Torsos, das non finito, die Art der Präsentation bildhauerischer Werke sowie die Assemblage, das heißt: das Zusammenfügen von Fragmenten zu einem neuen Ganzen.

Als François-Auguste-René Rodin 1840 in Paris geboren wurde, war dieser Weg nicht vorgezeichnet. Seine Familie war eher konservativ. Der Vater arbeitete in der Polizeiverwaltung. An der altehrwürdigen École des Beaux-Arts wurde er dreimal abgelehnt. So lernte er sein Handwerk an der École Spéciale de Dessin et des Mathématiques für angewandte Kunst. Nach der Ausbildung arbeitete Rodin zunächst für den Bildhauer Albert Carrier-Belleuse an dekorativen Aufträgen. Wegweisend für Rodin waren eine Reise nach Italien und die Begegnung mit dem Werk Michelangelos. Eine seiner frühen Plastiken, Der Mann mit der gebrochenen Nase, brach mit den Schönheitsidealen der akademischen Bildhauerei und wurde von der Jury des Pariser Salons abgelehnt. Mit einem seiner berühmtesten Werke, den Bürgern von Calais, wollte Rodin das Denkmal vom Sockel holen. Das scheiterte zunächst an der Kritik der Auftraggeber, stieß aber eine Diskussion um den Sockel in der Bildhauerei an, die bis heute aktuell ist.

Die endgültige internationale Anerkennung erhielt Rodin 1900 mit einem eigenen Pavillon anlässlich der Pariser Weltausstellung. In den folgenden Jahren unterhielt er nicht nur eine große Werkstatt, sondern scharte in Meudon, in der Nähe von Paris, einen Kreis junger bildender und schreibender Künstler und Künstlerinnen um sich. Zu ihnen gehörte auch Rainer Maria Rilke, der einige Jahre sein Privatsekretär war. Eventuell sind Rodin und Arp sich über Rilke hier tatsächlich begegnet. Belegt ist ein solches Treffen aber nicht. Rodin starb am 17. November 1917 in Meudon.

  • Auguste Rodin, Die Bürger von Calais, 1884-1895
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    Auguste Rodin, Die Bürger von Calais auf dem Clace du soldat inconnu in Calais, 1884-1895
    © CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
  • Auguste Rodin, Höllentor, 1880-1907, Kunsthaus Zürich
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    Auguste Rodin, Höllentor, 1880-1907, Kunsthaus Zürich
    © Roland zh, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
  • Auguste Rodin, Mann mit gebrochener Nase, 1863-64
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    Auguste Rodin, Mann mit gebrochener Nase, 1863-64, Kunsthalle Bremen
    © Kunsthalle Bremen - Der Kunstverein in Bremen ; Licence: CC BY-NC-SA

Das Höllentor - Rodins Lebenswerk

Auguste Rodin, Höllentor, 1880-1907, Kunsthaus Zürich © Roland zh, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Rodin bekam 1880 den Auftrag, ein Prachtportal für den Neubau des Musée des Arts Décoratifs in Paris zu gestalten. Er schlug eine monumentale Bronzetür nach dem Vorbild von Ghibertis berühmten Toren für das Baptisterium in Florenz vor.

Das Portal sollte Motive des Infernos aus Dantes Göttlicher Komödie zeigen. Rodin arbeitete an dem Höllentor 37 Jahre. Die Arbeit wurde nie vollendet. Erst nach seinem Tod wurde es in Bronze gegossen und steht heute unter anderem im Garten des Musée Rodin in Paris. Im Musée D’Orsay können Sie einen Entwurf in Gips bewundern.

Insgesamt 186 Figuren bevölkern das Höllentor. Männer, Frauen, Alte, Junge, einzeln, als Paare oder in Gruppen taumeln, fallen und stürzen in eine haltlose Tiefe. Einige davon sind im Laufe der Zeit als Einzelfiguren oder in kleinen Gruppen berühmt geworden. Rainer Maria Rilke, der 1902 nach Paris reiste, um Rodin und sein Werk zu sehen und einige Jahre Rodins Privatsekretär war, schrieb über die Figuren des Höllentores:

Rainer Maria Rilke

»So sind die Gebärden der Menschheit, die ihren Sinn nicht finden kann. Gesten, bei denen nur der Ausgangspunkt und der Endpunkt wichtig waren. Das Ergreifen war anders geworden; viel mehr Mutlosigkeit und ein Angehen gegen Widerstände, viel mehr Trauer um Verlorenes. Rodin schuf diese Gebärden.«

Der Denker

Auguste Rodin, Der Denker, 1903 © Kunsthalle Bielefeld/ Foto: Helmut Reinelt
Kenotaph Dante Alighieris in St. Corce in Florenz © Gryffindor, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Das Konterfei Dante Alghieris sollte ursprünglich über dem Höllentor thronen. Doch auch ohne Teil des heutigen Opus Magnum des Künstlers zu sein, ist der Denker weltberühmt. Doch was ist das revolutionäre an dieser Figur?

Vielleicht kennen Sie das Bildnis Dantes als sinnierender Dichter auf seinem Kenotaph in Santa Croce in Florenz? Dort sitzt er mit halb entblößtem, muskulösem Oberkörper, in ein Tuch gehüllt, ein Buch auf dem Schoß, den Kopf in Denkerpose auf die rechte Hand gestützt, mit Lorbeer bekrönt und schaut auf seine Bewunderer hinab. So idealisiert wurde ein Dichter im 18. und 19. Jahrhundert auf den Sockel gehoben.

Vermutlich kannte Rodin diese Darstellung. Aber er hat den Dichter aller Attribute beraubt, die ihn als solchen auszeichnen. Auf den reinen Menschen reduziert, gestaltete Rodin hier eine Handlung – das Denken. Das war am Ende des 19. Jahrhunderts ein absolutes Novum. Und ganz offensichtlich wollte Rodin kein möglichst reales Abbild eines Menschen schaffen, obwohl er immer mit lebenden Modellen gearbeitet hat. Die bewegte Oberfläche der Bronzefigur zeigt uns deutlich, dass es sich hier um Bildhauerei handelt, dass der Künstler das Werk mit seinen bloßen Händen gestaltet hat. Modell für den Denker stand übrigens der französische Boxer Jean Baud.

Der Kuss

Auguste Rodin, Der Kuss, 1882, Musée des Beaux-Arts, Lyon, legs Jaqueline Delubac, 1997 © Lyon MBA, Foto: Alain Basset

Der Kuss von Auguste Rodin ist eine der bekanntesten Plastiken der Welt. Sie existiert in vielen verschiedenen Versionen in unterschiedlichen Materialien und gilt heute als ikonische Darstellung sinnlich körperlicher Liebe.

Vorbild war das tragische Liebespaar Paolo Malatesta und Francesca da Rimini. Francesca verliebte sich in ihren Schwager Paolo bei der gemeinsamen Lektüre des Artusromans. Sie küssen sich, werden von Francescas Ehemann ertappt und getötet und in die Hölle verbannt. Die Plastik zeigt den Moment kurz vor oder nach dem verbotenen Kuss. Wie der Denker war auch das küssende Paar zunächst als Teil des Höllentors gedacht.

Hans Arp nahm sich ebenso dem literarischen Stoff an und schuf zwei Werke, die mit ihrem Titel direkten Bezug auf die beiden Protagonist*innen Paolo und Francesca nehmen. In unserer Ausstellung können Sie weitere thematische Überschneidungen entdecken.

Das Motiv des Schattens

Auguste Rodin, Drei Schatten, 1886
Stella Hamberg, großer Schatten, 2015 © Privatsammlung Köln, Foto: Mick Vincenz

Wie dem Liebespaar aus Dantes Komödie, widmeten sich sowohl Rodin als auch Arp dem Motiv des Schattens. Fasziniert hat beide Künstler hierbei insbesondere die Herausforderung eine flache Form in die Dreidimensionalität zu bringen. Insbesondere Arps Chinesische Schattenspielfigur erscheint wie eine lebendiggewordene Schattengestalt.
In vielen Kulturen werden Schatten als das Spiegelbild der Seele, als das zweite Ich des Menschen betrachtet. Sie sind im Jenseits, eben im Reich der Schatten beheimatet und können von dort aus mit uns sprechen.

Rodin hat die drei Schatten als Bekrönung für das Höllentor geschaffen und verweist mit ihnen auf die Schatten in der Göttlichen Komödie. Während Dante von dem antiken Dichter Vergil durch das Inferno geführt wird, begegnen ihm die Schatten geschichtlicher und mythologischer Personen, denen er sich stellen muss. Für die Konstellation verdreifachte Rodin seine bereits vorhandene Figur, die wir heute als kleiner Schatten bezeichnen, und verdreifachte sie. Durch ihre Vervielfältigung entwickelt die Figur eine ganz eigene Dynamik und greift gleichzeitig wieder das Thema eines Schattenspiels, bei dem sich je nach Einfall der Sonne, einzelne Schatten überlagern, wieder auf.
Das Schemen wohl niemals ihre Faszination verlieren werden, zeigt eindrucksvoll Stella Hambergs Auseinandersetzung mit dem Thema. Auf der Terrasse im Obergeschoss des Museums begegnet uns der Schatten als doppelköpfiges Wesen zwischen Mensch und Tier.

Das eherne Zeitalter

  • Installationsansicht »RODIN / ARP«
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    Blick in die Ausstellung »RODIN / ARP«
    © für die Werke Hans Arps: VG Bild-Kunst, Bonn 2021 | Foto: Helmut Reinelt
  • Installationsansicht »RODIN / ARP«
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    Blick in die Ausstellung »RODIN / ARP«
    © für die Werke Hans Arps: VG Bild-Kunst, Bonn 2021 | Foto: Thomas Köster/ www.kunstarztpraxis.de
Rainer Maria Rilke

Das war die Silhouette eines Baumes, der die Märzstürme noch vor sich hat [...] Diese Gestalt [...] bezeichnet im Werk Rodins die Geburt der Gebärde. [...] Man könnte von dieser Gebärde sagen, dass sie wie in einer harten Knospe eingeschlossen ruht.

Voller Begeisterung beschreibt Rilke Rodins Figur des jungen Mannes, die wir heute unter dem Titel das eherne Zeitalter kennen. Sie war die erste Figur in Lebensgröße, die Rodin öffentlich ausstellte und sorgte direkt für einen handfesten Skandal. Die naturnahe Darstellung veranlasste Beobachter*innen und Kritiker*innen dazu, Rodin zu unterstellen, dass er nur ein lebendes Model abgegossen habe, anstatt die Figur eigenständig zu formen. Monatelange Briefwechsel folgten, in welchen Rodin darlegte, dass der junge belgische Soldat August Neyt für ihn posiert habe, er aber eigenständig die Figur modelliert habe. Letztendlich entlasteten mehrere Bildhauer-Kolleg*innen Rodin von den Vorwürfen der Öffentlichkeit.

Zunächst stützte sich der verwundete Soldat noch auf eine Lanze, die später jedoch von Rodin, zugunsten einer Reduzierung der Figur auf ihre körperliche Wesensmerkmale, entfernt wurde. Auf sich selbst zurückgeworfen, führt uns die Skulptur einen seelischen Zustand vor Augen. Rodin hatte damit etwas ganz Neuartiges geschaffen.

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Hans Arp

Hans Arp in seinem Atelier inmitten seiner Skulpturen | Clamart | 1954 | Foto von Denise Colomb © bpk / Ministère de la Culture – Médiathèque du Patrimoine, Dist. RMN-Grand Palais / Denise Colomb

Hans Arp, der sich seit dem Zweiten Weltkrieg französisch Jean Arp nannte, zählt zu den bedeutendsten Künstlern der Avantgarde im 20. Jahrhundert. Als Maler, Grafiker, Bildhauer und Poet war er maßgeblich an der Entwicklung der modernen abstrakten Kunst beteiligt.

Hans Peter Wilhelm Arp wurde 1886 in Straßburg geboren, das zu der Zeit zu Deutschland gehörte. Er besuchte Kunstschulen in Straßburg und Weimar sowie die Académie Julian in Paris, entschied sich dann aber gegen eine akademische Ausbildung und entwickelte stattdessen seine eigene abstrakte Formensprache. Bekannt wurde er 1916 – also ein Jahr vor Rodins Tod – als Mitbegründer der Dada-Bewegung im Cabaret Voltaire in Zürich. Später gehörte er zum Kreis der Pariser Surrealisten um André Breton. 1930 schuf er erste Rundplastiken. Später war er gemeinsam mit seiner Frau, der Künstlerin Sophie Taeuber-Arp, Mitglied der Künstlervereinigungen Cercle et Carrè und Abstraction Création. Seinen endgültigen internationalen Durchbruch hatte Arp 1949 mit einer ersten Einzelausstellung in Amerika. Von da an erhielt er verschiedene Aufträge für Monumentalskulpturen und großformatige Wandreliefs im Außenraum. 1954 erhielt er auf der Biennale in Venedig den Großen Preis für Skulptur. Arp starb am 7. Juni 1966 in Basel.

Automatische Skulptur (Rodin gewidmet)

Hans Arp, Automatische Skulptur (Rodin gewidmet), 1938, Privatsammlung London © VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Heini Schneebeli
Femme accroupie | Auguste Rodin | 1882-1885 © Musée Rodin, Paris | Foto: Christian Baraja

Es ist zwar nicht sicher, dass sich Rodin und Arp jemals begegnet sind, aber als der junge Arp 1916 mit Dada die künstlerische Bühne betrat, war Rodin einer der erfolgreichsten Künstler seiner Zeit. Für einen jungen Bildhauer führte kein Weg an ihm vorbei. So ist es nicht erstaunlich, dass Arp eine seiner frühen Plastiken Rodin gewidmet hat.

Mit Automatischen Skulptur (Rodin gewidmet) greift Arp ein Konzept des Surrealismus auf. Arp suggeriert uns, dass er die Plastik unbewusst und vom Zufall geleitet geschaffen hat. Diese spontane Arbeit hat Arp offensichtlich an Rodin erinnert. Und tatsächlich kann man formale Bezüge zum Beispiel zu Rodins Kauernder erkennen. Mit ihrer kompakten Körperhaltung und dem fließenden Verlauf ihrer Arme und Beine und dem Bogen des Rückens ähnelt sie der Gestaltung von Arps Figur. Die Gegenüberstellung mit Arps biomorpher Formgebung zeigt, wie sehr Rodins Figuren schon eine abstrakte Formensprache ankündigen und wie gleichzeitig bei Arps abstrakten Formen doch immer wieder menschliche Formen anklingen. 1965 wurde gemeinsam mit Arp geplant, die ursprünglich kleinere automatische Plastik für den öffentlichen Raum in fünffacher Vergrößerung in Granit auszuführen. Die Aufstellung der fertigen Arbeit im Juni 1967 erlebte Arp nicht mehr.

Außer dieser bildhauerischen Arbeit hat Arp auch ein Gedicht auf Rodin verfasst, dass Sie in der Ausstellung an der Wand und als Typoskript mit dem Titel Rue Varenne lesen können.

Der Zufall

Hans Arp, In der Folge zerrissener Papiere, 1933 © Arp Museum Bahnhof Rolandseck/ VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Hans Arp, Automatische Skulptur (Rodin gewidmet), 1938, Privatsammlung London © VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Heini Schneebeli
© © VG Bild-Kunst, Bonn 2021/ Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Foto: Mick Vincenz (Detail)
Carola Giedion-Welcker

Zum ersten Mal in der Geschichte der modernen Kunst wurde der Begriff einer gelockerten ›Konstellation‹ künstlerisch verwirklicht, um frei erfundene Formgebilde frei zu gruppieren, sie wie Sterne vom Himmel des Zufalls fallen zu lassen. Es war die Geburtsstunde jenes beweglichen Beziehungsspiels anonymer Elemente zueinander und zu der Fläche, die nun nicht mehr einen starren Hintergrund des Formgeschehens darstellte, sondern aktive Kraftfelder der ›Leere‹ in der Komposition mitsprechen ließ, ebenso wirksam wie die gestikulierende Form selbst.

Mit dem Dadaismus wurde der Zufall zu einem der wichtigsten Schaffensprinzipien Arps. Er selbst sagte, dass er »die Anordnungen willenlos, automatisch ausführte« und nannte es »nach dem Gesetz des Zufalls« arbeiten. Aber: Was ist Zufall? Kann man den Zufall provozieren und mit ihm arbeiten? Arp benutzte verschiedene Techniken um den Zufall herbeizuführen. Mal zerriss er Papierarbeiten und ließ sie fallen, der Zufall erschuf immer wieder neue Formen und Anordnungen. Ein anderes Mal arbeitete er mit der Technik der papiers froissés: Hierbei rollte er die Papierarbeiten in einer Hand zu einer Kugel, entfaltete sie wieder, zog Linien nach oder übermalte sie teilweise wieder. Das Ergebnis wird so ungeplant, zufällig und geheimnisvoll. Der Künstler verliert zunehmend an Kontrolle über seine Ausdrucksmittel, die Werke selber erlangen eine gewisse Unabhängigkeit von ihrem Herstellungsprozess. Einige in der Ausstellung gezeigte Reliefs oder die Plastik Automatische Skulptur (Rodin gewidmet) sind im Zusammenhang mit der Technik der écriture automatique entstanden. Das automatische Schreiben wurde insbesondere von den Surrealist*innen als Möglichkeit gesehen, das Unbewusste in das Bewusstsein zu führen und ihm durch die Kunst Gestalt zu geben.

Bukolische Landschaft

Installationsansicht »RODIN / ARP«; Hans Arp, Bukolische Landschaft, 1963 © Privatsammlung / VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Installationsansicht »RODIN / ARP«; Hans Arp, Bukolische Landschaft, 1963 © Privatsammlung / VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Arps Bukolische Landschaft sieht aus jeder Perspektive anders aus und scheint aus einzelnen Elementen zusammengefügt zu sein. Das ist sie tatsächlich auch. Die Technik der Assemblage, bei der Bruchstücke oder nicht zusammengehörige Objekte in eine neue Form überführt werden, hat spätestens mit den Dadaisten endgültig in die Kunst Einzug gehalten. Arp formulierte sein Interesse an der Assemblage wie folgt: »Welche Anmaßung verbirgt sich in der Vollendung. Wozu sich um Genauigkeit, Reinheit bemühen, da sie doch nie erreicht werden kann?« In diesem Sinne hat Arp immer wieder fertige Holzreliefs oder Gipse, auseinandergeschraubt oder zersägt und zu neuen Formen zusammengefügt.

Die Bukolische Landschaft ist in zweifacher Ausführung in unserer Ausstellung vertreten: einmal ist sie in Bronze gegossen, einmal in Marmor geschlagen. Als eines der späteren Werke Hans Arps zeigt sie eindrucksvoll, wie meisterhaft der Künstler die Grenzen zwischen Gegenständlichem und Ungegenständlichem aufhebt. Die Skulptur erinnert mit ihren Bestandteilen zwar an menschliche Körper oder pflanzliche Gewächse, bleibt aber dennoch unbestimmt und damit abstrakt.

Assemblage

  • Installationsansicht »RODIN / ARP«
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    Installationsansicht »RODIN / ARP«; Auguste Rodin, Die Bürger von Calais, Asemblage: Köpfe und Hände nach Reduktion und geflügelte Figur, nach 1899
    © Musée Rodin Paris / Foto: Thomas Köster
  • Installationsansicht »RODIN / ARP«
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    Installationsansicht »RODIN / ARP«; Hans Arp, Verwandlung des Reliefs »Kopf mit grüner Nase« von 1923, 1964
    © Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Foto: Thomas Köster / VG Bild-Kunst, Bonn 2021
  • Installationsansicht »RODIN / ARP«
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    Installationsansicht »RODIN / ARP«; Auguste Rodin, Assemblage: Torso der Kentaurin und Studie für Iris, um 1910
    © Musée Rodin Paris / Foto: Thomas Köster
  • Je suis belle
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    Je suis belle | Auguste Rodin | 1882
    © Musée Rodin, Paris | Foto: Christian Baraja

Kaum eine Technik ist so gut für das Arbeiten mit dem Zufall geeignet, wie die Assemblage. Bei der Kombination unterschiedlichster Bestandteile hin zu einem dreidimensionalen Relief oder einer Plastik ist er wichtiges gestalterisches Mittel. Nicht verwunderlich, dass sich sowohl Rodin als auch Arp dieser Technik zuwenden.

Rodin schafft ab den 1890er-Jahren Assemblagen, die seiner Zeit weit voraus sind. Experimentierfreudig und radikal lässt er in seinem Atelier bestehende Gipsformen neu gießen, zersägt Skulpturen und setzt sie beliebig neu zusammen. Es entstehen überraschende und vieldeutige Neukombinationen – mal zwei miteinander verbundene Körper, mal wie zufällig zusammengefundene Figuren- oder Fragmentgruppen.

So kreuzt er bruchstückhafte Elemente – Hände und Köpfe – einer kleinen Gipsfassung seines Denkmals Die Bürger von Calais frei und assoziativ mit denen einer geflügelten Figur. Auch bei der dynamisch-kraftvollen Skulptur Ich bin schön liegt dem Schöpfungsakt eine spannungsvolle Wechselwirkung zwischen Konstruktion und Destruktion zugrunde.

Eine vergleichbare Arbeitsweise wählt Arp für zahlreiche seiner Werke. Verwandlung des Reliefs Kopf mit grüner Nase von 1923 aus dem Jahr 1964 etwa führt uns die Idee von Zerlegung und Re-Assemblage besonders eindrucksvoll vor Augen. Zudem bildet die Methode des Zusammenfügens und der Anordnung die Grundlage seiner Konstellationen.

Ptolemäus III

Hans Arp, Ptolemäus III, 1961 © Kunstmuseum Basel/ VG Bild-Kunst, Bonn 2021; Foto: Helmut Reinelt
Auguste Rodin, Der Denker, 1903 © Kunsthalle Bielefeld/ Foto: Helmut Reinelt

In unserem Eingangsbereich werden die Besucher*innen von einem Skulpturenpaar empfangen. Arps Ptolemäus III trifft auf den gegenüber sitzenden Denker von Rodin.

Im Dialog der beiden Figuren werden die unterschiedlichen Herangehensweisen der beiden Bildhauer deutlich. Während Rodin bei allen neuen Aspekten, die er in die Bildhauerei einführte, immer der Figuration und dem menschlichen Abbild treu blieb, wurde der fast ein halbes Jahrhundert jüngere Arp mit seinen biomorphen Formen zum Protagonisten der abstrakten Bildhauerei.

Vor allem der Titel ist es, der bei Ptolemäus III einen Vergleich mit Rodins Denker nahe legt. Claudius Ptolemäus war ein griechischer Universalgelehrter. In seinem Buch Der Almagest fasste er die altgriechischen Vorstellungen des geozentrischen Universums zusammen. Beim ptolemäischen Weltbild bewegen sich die Planeten auf kleinen Kreisen, den sogenannten Epizyklen, auf großen Kreisen um die Erde. Arp, der sich mit verschiedenen Werken auf astronomische Phänomene bezieht, hat in diesem Fall die Idee der Sphären aufgegriffen. Statt einer Sonne findet sich in Arps Skulptur allerdings nur ein Hohlraum.

Seit den 1930er Jahren versuchte Arp das Kompakte der Skulpturen zu durchbrechen und führte Leerstellen und Hohlformen als wichtiges gestaltendes Element seiner Plastiken ein. Zwischen 1953 und 1961 schuf er drei Varianten des Ptolemäus. Während Rodin vom Abbild Dantes ausgehend, eine Personifikation des Denkens geschaffen hat, ist für Arp die bahnbrechende Idee des antiken Philosophen Grundlage seiner abstrakten Plastik.

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Stella Hamberg

  • Stella Hamberg, vom Verrecken und der absoluten Unmöglichkeit zu sterben 2 - der Gefährte, 2008
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    Stella Hamberg, Hund, 2013
    © Sammlung Ina Bitter und Dr. Roland Quinten, Foto: Mick Vincenz
  • Stella Hamberg, vom Verrecken und der absoluten Unmöglichkeit zu sterben 2 - der Gefährte, 2008
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    Stella Hamberg, vom Verrecken und der absoluten Unmöglichkeit zu sterben 2 - der Gefährte, 2008
    © Sammlung Ina Bitter und Dr. Roland Quinten, Foto: Mick Vincenz
  • Stella Hamberg, großer Schatten, 2015
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    Stella Hamberg, großer Schatten, 2015
    © Privatsammlung Köln, Foto: Mick Vincenz
  • Stella Hamberg, the curve 2 - Stille, 2015 & the curve 3 - echoes in my head, 2015
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    Stella Hamberg, the curve 2 - Stille, 2015 & the curve 3 - echoes in my head, 2015
    © Hort Family Collection, Foto: Mick Vincenz
  • Stella Hamberg, sieben100millionen, 2008 | Trance 2, 2016-18 | Trance 3, 2016-18
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    Stella Hamberg, sieben100millionen, 2008 | Trance , 2016-18 | Trance 3, 2016-18
    © sieben100millionen, Sammlung Hense | Trance 3, Sammlung Brecht-Bergen; Foto: Mick Vincenz
  • Trance 2
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    Stella Hamberg, Trance 2, 2018
    © Stella Hamberg, courtesy Galerie EIGEN+ART Leipzig/Berlin, 2020 | Foto: Mick Vincenz
  • Stella Hamberg_das ist das
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    Stella Hamberg, das ist das, 2015
    © Stella Hamberg, courtesy Galerie EIGEN+ART Leipzig/Berlin, 2020 | Foto: Mick Vincenz

Stella Hamberg wurde 1975 im hessischen Friedberg geboren. Nach einer Ausbildung als Steinbildhauerin studierte sie an der Hochschule für Bildende Kunst Dresden und war dort Meisterschülerin bei Prof. Martin Honert. Heute lebt und arbeitet sie in Berlin und gehört zu den besonders spannenden Bildhauerinnen ihrer Generation. Im Jahr 2018 erhielt sie den Marianne Werefkin-Preis.

Mit ihren überlebensgroßen, tonnenschweren Großplastiken aber auch mit kleinformatigeren Werkgruppen knüpft sie an bildhauerische Traditionen von der Antike bis in die Moderne an. Sicher kommen Ihnen einige Motive und Figuren bekannt vor – wie zum Beispiel Zerberus, der dreiköpfige Höllenhund aus der antiken Mythologie. Motive wie der Torso oder die Metamorphose, die sich ebenso in der Ausstellung »RODIN / ARP« finden, werden von Stella Hamberg in ihre ganz eigene Handschrift und die Bildsprache der Gegenwart überführt.

Die meisten ihrer Arbeiten sind aus Bronze. Die mal fein modellierten, mal expressiv aufgesprengten Oberflächen zeugen von ihrer handwerklichen Könnerschaft aber auch von dem Ringen um die Darstellbarkeit der menschlichen Figur im 21. Jahrhundert.

Großer Schatten

Stella Hamberg, großer Schatten, 2015 © Privatsammlung Köln, Foto: Mick Vincenz

Bei Rodin waren es die drei Seelen der Ahnen, die das Höllentor bekrönen, bei Arp die abstrakte Form der chinesischen Schattenspielfigur. Bei Stella Hamberg kommt der Schatten in Gestalt eines Januskopfes daher.

Janus mit seinen zwei Gesichtern fungiert in der antiken Mythologie als Mittler zwischen Menschen und Göttern. Er symbolisiert die Dualität von Schöpfung und Zerstörung, Leben und Tod, Licht und Dunkel, Anfang und Ende. Anders als sein antikes Vorbild hat Stella Hambergs großer Schatten nicht zwei menschliche Gesichter. Die bärtige Maske mutiert am Hinterkopf zu einem Bärenkopf - es handelt sich hier also um eine Verschmelzung von Mensch und Tier. Beim Anblick der Skulptur werden so nicht zuletzt Fragen nach animalischen Verhaltensweisen des Menschen geweckt.

À travers la tête

Installationsansicht »Stella Hamberg. Corpus«; Stella Hamberg, à travers la tête, 2017 © Stella Hamberg, courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin, 2021 / Foto: Thomas Köster/www.kunstarztpraxis.de
© Foto: Thomas Köster/www.kunstarztpraxis.de

Baumstämme, die nach oben sprießen oder tierische Wesen, die Ihre Füße auf den Boden rammen. Vielleicht erkennen Sie in Stella Hambergs Werk aber auch zwei sich küssende Schatten...

Aus den glatten Füßen, Hufen oder Wurzeln entwickeln sich Beine oder Stämme, deren kantige Strukturen an geborstenes Holz denken lassen und dann gibt es Flächen, die Spuren der Finger bei der Bearbeitung erkennen lassen. Sie sind über das weiche Material gestrichen, haben sich mehr oder weniger fest hineingegraben und die Oberfläche in eine vegetabile Struktur verwandelt.

In der Ausstellung lassen sich mehr dieser chimärenhaften Wesen entdecken, bei denen Menschliches, Tierisches und Pflanzliches miteinander verschmilzt. Sie verkörpern eine der Grundideen der Künstlerin, die ihre Gedanken dazu selber perfekt formuliert hat:

Stella Hamberg

»Leben ist permanente Verwandlung. Sich darüber bewusst zu sein, versetzt uns in die Lage alles denken zu können und gleichzeitig anzuerkennen, dass es ein Geheimnis in den Dingen gibt, dass wir im Grunde nichts wissen, über unsere Existenz.«

das ist das

Stella Hamberg, das ist das, 2015 © Stella Hamberg, courtesy Galerie EIGEN+ART Leipzig/Berlin, 2020 | Foto: Mick Vincenz

Bedrohlich wirkt die Skulptur das ist das, welche Assoziationen an altmeisterliche Darstellungen des Höllenschlunds, wie etwa denen von Hieronymus Bosch, hervorruft. Hier ist es abermals Hambergs Energie, die sich in die Skulptur einschreibt. Wenngleich das ist das grotesk anmutet, finden sich auch hier Referenzen an bekannte Formen: wie ein Haifischmaul drohen uns die Zahnreihen zu verschlingen.

Ein wunderbares Gedankenspiel zur Genese der Plastik ließe sich hier vollziehen: Setzt man das ist das gedanklich unter das Höllentor des Großmeisters der modernen Plastik, Auguste Rodin, so würden sich beide bildhauerischen Positionen wunderbar ergänzen.

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