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Von Luxus & Glamour, vom Eigensinn des Überflüssigen und sich wandelnder Schönheit

Sie möchten sich vor Ihrem Besuch über unsere aktuellen Ausstellungen informieren? Etwas nach Ihrem Besuch recherchieren? Oder weitere Hintergrundinformationen zu bestimmten Werken erhalten?

In unserem Magazin werden Sie fündig...

Einführung

Das Arp Museum Bahnhof Rolandseck zeigt mit »Immer wandelt sich die Schönheit« und »Luxus und Glamour. Vom Eigensinn des Überflüssigen« zwei Ausstellungen, die sich mit dem Thema Mode beschäftigen. Gleichzeitig sind in verschiedenen Museen Deutschlands weitere Mode-Ausstellungen zu sehen. Das Kunstmagazin art widmete dem Thema Mode im Dezember 2020 ein Spezialheft.

Was macht das Thema in der Kunstwelt so aktuell und wie kommt die Mode ins Arp Museum?

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Kunst und Mode

  • Nofretete
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    Büste der Nofretete, 1353 und 1336 v. Chr., Stiftung Preußischer Kulturbesitz
  • Venus von Milo
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    Venus von Milo, um 130-100 v. Chr., Louvre Paris
  • Adonis
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    Adonis Mazarin, restauriert von Francois Duquesnoy Anfang des 17. Jhd., Louvre Paris
  • Aphrodite von Knidos
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    Aphrodite von Knidos, 350-340 v. Chr., Sammlung Ludovisi, Römische Marmorkopie (Torso und Oberschenkel) mit ergänztem Kopf, Armen, Beinen, und Gewandstütze
  • Portrait einer jungen Frau von Petrus Christus
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    Petrus Christus, Portrait einer jungen Frau, um 1470, Gemäldegalerie Berlin
  • Anna von Österreich, Königin von Spanien
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    Anna von Österreich, Königin von Spanien von Alonso Sánchez Coello, 1571
  • George Villiers, 1. Duke of Buckingham
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    Peter Paul Rubens, George Villiers 1., Herzog von Buckingham, 1625, Palazzo Pitti Florenz
  • Jane Needham, Mrs Myddleton
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    Peter Lely, Jane Needham (Mrs Myddleton), 1666, Hampton Court Palace London
  • Maurice Quentin de La Tour, Selbstportrait (1751)
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    Maurice Quentin de La Tour, Selbstportrait, 1751, Musée de Picardie
  • Madame de Pompadour
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    Francois Boucher, Madame de Pompadour, 1756, Pinakothek München
  • Portrait von Madame Récamier von Francois Gérard (1805)
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    Francois Gérard, Portrait von Madame Récamier, 1805, Musée Carnavalet Paris
  • Portrait des Charles-Joseph-Laurent Cordier
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    Jean Auguste Dominique Ingres, Portrait des Charles-Joseph-Laurent Cordier, 1811, Louvre Paris
  • Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha
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    Franz Xaver Winterhalter, Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, 1842, Royal Collection London
  • Greta Garbo 1928
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    Greta Garbo 1928, Foto: Louise Ruth Harriet
  • Greta Garbo, Foto: Alexander Binder
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    Greta Garbo, 1925, Foto: Alexander Binder
  • Anna Held
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    Anna Held um 1900
Hans Arp

"Immer wandelt sich die Schönheit"

Mode hatte bereits in den frühen Hochkulturen etwas Kunstvolles. Sie ist von jeher Teil der Kunst – und sei es nur als Kleidung porträtierter Personen und Persönlichkeiten.

Auf der einen Seite gab es die Handwerker*innen und Schneider*innen, die die Kleidung nach den Vorgaben ihrer Auftraggeber*innen fertigten. Auf der anderen Seite die Künstler*innen, die die modische Kleidung mithilfe von Porträts berühmter Persönlichkeiten festhielten. Diese historischen Zeugnisse geben uns heute einen Einblick darüber, welche Kleidung und Accessoires in welchem Jahrzehnt en vogue waren. Wie Sie beim Durchklicken unserer Slideshow erkennen, ist das, was als schön gilt, in ständigem Wandel begriffen – abhängig von Zeit und Ort und natürlich auch dem eigenen Geschmack.

Heute sind die Grenzen zwischen Kunst und Mode längst fließend geworden. Unsere Hauspatronin, Sophie Taeuber-Arp, steht vorbildlich für diese Entwicklung. Ihr erklärtes Ziel war es schon vor hundert Jahren, die Grenzen zwischen angewandter und freier Kunst aufzuheben. Aber – warum eigentlich und wie kam es dazu?

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Kunstmode - Modekunst

Sophie Taeuber-Arp, Perlenbeutel, c. 1926 © Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Foto: Mick Vincenz
Yves Saint Laurent

"Die Mode hat nicht ganz den Rang von Kunst. Aber sie braucht für ihren Fortbestand einen Künstler."

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts verwischen, ausgehend von der Arts & Crafts-Bewegung, über den Jugendstil, Art Nouveau und die Wiener Secession bis hin zum Deutschen Werkbund und Bauhaus, die Grenzen zwischen Kunst und Kunsthandwerk und damit auch zwischen Kunst und Mode.

Diese Tendenzen hatten Auswirkungen auf die Ausbildung und das Selbstverständnis von weiblichen Akteurinnen der Kunstwelt. Künstlerinnen wie Sophie Taeuber-Arp oder Sonja Delaunay agierten bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts ganz selbstverständlich als Designerinnen für Mode, Schmuck und Accessoires aber auch als freie Künstlerinnen.

Obwohl das kreieren von Mode ein kreativer Prozess ist, gilt sie als ‚Kunsthandwerk‘. Dem Designen wurde darum in der Vergangenheit ein geringerer Status zugeschrieben, als der bildenden Kunst. Aber warum gibt es diese Unterscheidung zwischen diesen ähnlichen Bereichen überhaupt? Und ist sie heute noch aktuell?

Modeschöpfer*innen lassen sich von Kunst inspirieren und inszenieren sich als Künstler*innen. Nicht nur – aber auch der geniale Karl Lagerfeld. Mit seiner Herbst-/Winterkollektion 2015 für Fendi feierte er Sophie Taeuber-Arp und ihre Kunst. Ihre abstrakten Werke flankieren den Laufsteg, die Models posieren für die Werbekampagne mit vergrößerten Marionetten der Künstlerin und ihre abstrakte Formsprache inspirierte Lagerfeld zu seinen Entwürfen.

Aber auch Künstler*innen befassen sich mit den Phänomenen rund um die Mode. In der Ausstellung »Luxus & Glamour. Vom Eigensinn des Überflüssigen« fragen Stipendiat*innen des Künstlerhauses Schloss Balmoral und des Landes Rheinland-Pfalz aus Sicht der Kunst nach dem facettenreichen Verhältnis von Mode, Schmuck und Kunst.

Arts & Crafts | Die Hierarchie der Künste gerät ins Wanken

William Morris
William Morris

„The less, the better.“

John Ruskin
John Ruskin

„Wo Liebe und Talent zusammenkommen, darf man ein Meisterstück erwarten.“

Durch die Industrialisierung im 19. Jahrhundert wurden Produkte erstmals nicht mehr von Hand sondern industriell in Masse produziert. Wie alle Neuerungen wurde das nicht nur mit Begeisterung aufgenommen: Die neuen Massenwaren wurden, vor allem von Künstler*innen und Kunsthandwerker*innen, als qualitativ minderwertig betrachtet und der Wunsch nach einer Rückbesinnung auf das Handwerk war geweckt. Als Folge entwickelte sich in England die Arts-and-Crafts-Bewegung, die zwischen 1880 und 1910 ihren Höhepunkt hatte. Ihre bekanntesten Vertreter waren der Maler William Morris (1834–1896) und der Kunstkritiker John Ruskin (1819–1900). Sie propagierten „Kunst und Design von Menschen für Menschen“. Die Produkte sollten von hohem ästhetischen Wert sein, mit klaren Linien und Formen, die an den Eigenschaften des Materials orientiert sind. Damit verbunden war auch, dass die bis dahin geltende Unterscheidung in die hohe freie Kunst und die weniger wertig erachtete angewandte Kunst immer weiter aufgelöst wurde. Das hatte ebenfalls großen Einfluss auf die Ausbildung der angehenden Kreativen.

Debschitz-Schule | Ausbildung in Kunst und Kunsthandwerk

Ausgehend von der Arts-and-Crafts-Bewegung in England entstanden um die Wende zum 20. Jahrhundert auch im übrigen Europa verschiedene reformorientierte Kunstschulen mit dem Ziel, bildende Kunst und angewandte Kunst zusammenzuführen. In Deutschland war eine der besonders renommierten, die Debschitz-Schule in München. Das Lehr- und Versuchs-Atelier für angewandte und freie Kunst wurde 1902 von Wilhelm von Debschitz und Hermann Obrist gegründet und ist als Werkstättenschule als richtungsweisend für die Gründung des Deutschen Werkbundes und des Bauhauses in Weimar zu betrachten. Zudem hatte sie – als damals große Attraktion – in der Keramikklasse sogar eine Leiterin. An anderen Kunst-Akademien waren Frauen bis dato noch nicht einmal als Studentinnen zugelassen. Erst 1919 wurden die europäischen Akademien allgemein für Frauen geöffnet. Sophie Taeuber-Arp besuchte die Debschitz Schule von 1910 bis 1914 und kam so in den Genuss einer hochkarätigen und weltoffenen Ausbildung. Von 1916 bis 1929 war Sophie Taeuber-Arp selbst Leiterin der Klasse für textiles Entwerfen an der Kunstgewerbeschule Zürich.

Bauhaus

Mies van der Rohe

»Nur eine Idee hat die Kraft, sich so weit zu verbreiten.«

Das Bauhaus existierte nur 14 Jahre: von 1919 bis 1933. Dennoch war es die einflussreichste Schule für Architektur, Design und Kunst im 20. Jahrhundert und wurde zum Leitbild der Reformbestrebungen seiner Zeit. Der Anspruch, Gestaltung von Grund auf neu zu denken, fasziniert Fachwelt und Laien bis heute.

Wie schon vorher die Arts-and-Crafts-Bewegung und der Werkbund, wollten die Bauhaus-Künstler*innen die an den Akademien getrennten Künste Malerei, Skulptur, Architektur und das Kunsthandwerk vereinen. In einer interdisziplinären Werkgemeinschaft wollten sie eine Kunst schaffen, die die Gesellschaft verändern und einen neuen Menschentyp formen sollte. Das Gründungsmanifest zierte Feiningers Holzschnitt Die Kathedrale — ein programmatisches Symbol! Schon in den Bauhütten mittelalterlicher Kathedralen hatten alle Gewerke und Künste gleichberechtigt zusammengearbeitet. Am Bauhaus steht die Kathedrale für den Bau der Zukunft, für das Gesamtkunstwerk, das durch das gleichwertige Zusammenwirken von Architektur, Handwerk und Kunst entsteht. In Zusammenhang mit Sophie Taeuber-Arp sind vor allem die Textilwerkstatt und die Bauhaus-Bühne interessant. Die Textil-Entwürfe der Bauhaus-Künstlerinnen Ida Kerkovius, Benita Otte, Gunta Stölzl, Anni Albers oder Gertrud Arns aus den 1920er Jahren sind den Arbeiten, die von Sophie Taeuber-Arp seit 1916 bekannt sind, ebenso ähnlich, wie Oskar Schlemmers Kostüme für das Triadische Ballett; die die großen Geschwister von Sophie Taeuber-Arps etwa gleichzeitig entstandenen Marionetten für König Hirsch sein könnten.

In dieser Tradition lassen sich heute Modeschöpfer*innen von Kunst inspirieren und inszenieren sich als Künstler*innen. Nicht nur – aber auch der geniale Karl Lagerfeld. Mit seiner Herbst-/Winterkollektion 2015 für Fendi feierte er Sophie Taeuber-Arp und ihre Kunst. Aber auch Künstler*innen befassen sich mit den Phänomenen rund um die Mode. In der Ausstellung »Luxus & Glamour. Vom Eigensinn des Überflüssigen« fragen Stipendiat*innen des Künstlerhauses Schloss Balmoral und des Landes Rheinland-Pfalz aus Sicht der Kunst nach dem facettenreichen Verhältnis von Mode, Schmuck und Kunst.

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Sophie Taeuber-Arp | Künstlerin, Designerin, Tänzerin, Lehrerin und Architektin

Sophie Taeuber-Arp, Ascona 1925
Sophie Taeuber, Eröffnung der Galerie Dada, Zürich 1917 © Archiv Fondazione MArguerite Arp, Locarno
Hans Arp

»Wir weben ihr heute ein Kleid aus unseren reinsten Träumen, aus Farben, Linien, Kreisen…«

Sophie Taeuber-Arp war eine der innovativsten und vielseitigsten Künstlerinnen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Aufgewachsen im Schweizerischen Trogen, einer Hochburg der Weberei und Stickerei in der Schweiz, ist der Künstlerin das Textilhandwerk von früher Jugend an vertraut. Als junge Frau geht sie nach München, um an der Debschitz-Schule für angewandte und freie Kunst zu studieren und absolvierte im Wintersemester 1912/13 ein Semester an der Kunstgewerbeschule in Hamburg. Außerdem nimmt sie Tanzunterricht bei Rudolf von Laban, einem Vorreiter des Ausdruckstanzes.

Ab 1915 schuf Sophie Taeuber-Arp gleichzeitig mit Piet Mondrian und Kasimir Malewitsch geometrische Zeichnungen, mit denen sie als Pionierin der konkret abstrakten Kunst in Erscheinung tritt. Die gleichen und ähnliche Motive nutzt sie für Wandteppiche, Kissen, Kostüme, Perlenbeutel, Ketten, Armbänder und Ringe. Ihren Lebensunterhalt verdient sie von 1916 bis 1929 als Leiterin der Klasse für Textiles Gestalten an der Kunstgewerbeschule Zürich. Auch hier versucht sie, ihre klare abstrakt geometrische Formensprache durchzusetzen. Gleichzeitig arbeitet sie auch als freie Künstlerin, gestaltete Innenräume, wie bei der Aubette in Straßburg und baute in Meudon das Atelierhaus, in dem sie gemeinsam mit ihrem Mann, Hans Arp, ab 1926 lebt und arbeitet.

Als Künstlerin, Designerin, Tänzerin, Lehrerin und schließlich sogar (Innen-)Architektin verkörpert Sophie Taeuber-Arp die Verbindung von Kunsthandwerk und künstlerischer Avantgarde ihrer Zeit. Bis heute inspirieren ihre geometrischen Entwürfe nicht nur Designer*innen sondern auch bildende Künstler*innen. Mit 17 avantgardistischen Marionetten für das dadaistisch abgewandelte Figurentheater König Hirsch eroberte sie 1918 die Herzen ihrer Künstlerfreund*innen und viele Jahre nach ihrem Tod das von Karl Lagerfeld.

Karl Lagerfeld

"Ich wurde von der unglaublichen Schweizer Künstlerin Sophie Taeuber-Arp inspiriert. Ihre Arbeit ist so modern und grafisch, genau wie Fendi im kommenden Herbst: sehr luxuriös, aber gleichzeitig sehr zeitgemäß und sehr klar."

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Mode und Schmuck im Arp Museum

Perlbeutel / Reticule, Sophie Taeuber-Arp, c. 1926 © Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Foto: Helmut Reinelt
Halskette und Armband, Sophie Taeuber-Arp, 1920er © Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Foto: Helmut Reinelt
Sophie Taeuber-Arp

"Den Wunsch, die Dinge zu bereichern und zu verschönern kann man nicht materialistisch deuten, also im Sinne ihren Besitz an Wert zu erhöhen, sondern er entspringt dem Trieb nach Vervollkommnung und schöpferischer Tat."

Sophie Taeuber-Arp hat gewebt, gestickt und genäht. Entstanden sind Pompadours – kleine Beutel – Ketten und Armbänder aus tausenden kleiner Glasperlen, eigene Kleidungsstücke und Kostüme für Maskenbälle, angeregt durch orientalische Vorbilder oder die traditionelle Kleidung der Hopi-Indianer. Auch für ihre Tänze und Dada-Auftritte hat die Künstlerin Kostüme und Masken getragen. Sie war angetan von Mode, posierte in den Kreationen ihrer Freundin Sonja Delaunay und war begeistert von Paul Poiret.

Was machte Mode für sie und andere Künstler*innen des 20. Jahrhunderts so interessant? Und warum verstanden sich Modedesigner*innen plötzlich als Künstler*innen? Einer der Vorreiter dieser Tendenz war Charles Frederick Worth.

Modedesigner*innen schöpfen aus der Kunst

Spätestens als der englische Modeschöpfer und Vater der Haute Couture, Charles Frederick Worth, 1858 als erster Modeschöpfer seine Kreationen mit einem Label versah – sie also quasi signierte und zum Kunstwerk erhob – sind die Grenzen zwischen Kunst und Mode fließend geworden.

Porträtfoto Charles Frederick Worth, März 1895, Fotograf unbekannt

Charles Frederick Worth ist ein Paradebeispiel für die geniale Liaison von Mode und Kunst auf verschiedenen Ebenen. Schon als junger Mann ließ er sich durch Kunstwerke in der National Gallery in London und anderen Sammlungen zu seinen Modeentwürfen inspirieren. 1845 ging er nach Paris – in die Hochburg der Mode. Nachdem seine Kreationen auf den Weltausstellungen in London (1851) und Paris (1855) preisgekrönt wurden, eröffnete er 1858 eine eigene Modefirma, Worth & Bobergh.

Worth war der erste Modeschöpfer, der nicht zu seiner Kundschaft ins Haus ging und Kleidung nach deren Vorgaben anfertigte, sondern fertige Modelle entwarf und auf Modenschauen mit lebenden Models präsentierte. Er war nicht mehr nur ausführender Schneider, sondern Designer. Seine Mode konnte als fertiges Kleid, aber auch als Entwurf erworben werden und war mit einem Urheberrecht versehen. Er betrachtete seine Mode als Kunst und inszenierte sich selbst als erfolgreichen Künstler. Mit Malerhemd und Schleifenkrawatte unter einem Pelzmantel und einem Samtbarett stellte er sich in die Tradition Leonardo da Vincis, Tizians oder Rembrandts.

Um seinen Künstler- Status und den künstlerischen Wert seiner Entwürfe zu unterstreichen, ließ Worth als erster ein sogenanntes ‚Couturier Label‘ mit Signatur in seine Kreationen einnähen.

Und er hatte Erfolg damit. Seine Kreationen waren bei den Schönen und Mächtigen gefragt. Kaiserin Eugénie, die Gemahlin Napoleons III., Kaiserin Elisabeth von Österreich (Sissi), Queen Viktoria und Schauspielerinnen wie Sarah Bernhardt ließen sich von ihm einkleiden.

Und am Ende finden sich Worth Kreationen in zahlreichen Bildnissen seiner illustren Kundschaft wieder. Sie wurden vor allem von dem Maler Franz Xaver Winterhalter grandios in Szene gesetzt, aber auch von Auguste Renoir in Gemälden verewigt.

  • Sissi
    Kaiserin Elisabeth von Österreich (Sissi) von Franz Xaver Winterhalter (1865)

Paul Poiret – 1001 Nacht und der Abschied vom Korsett

Paul Poiret
Paul Poiret, Fancy dress costume, 1911, Metropolitan Museum of Art, New York

Ein Mitarbeiter in Worths Modewerkstatt war Paul Poiret, den Sophie Taeuber-Arp bewunderte. Er ist für einige der größten Reformen der Mode im 20. Jahrhundert bekannt. Poiret war der erste Modeschöpfer, dessen Kreationen ohne Korsett auskamen und die weibliche Silhouette trotzdem umspielten.

Viele seiner Schöpfungen spielten mit einer Formensprache, die man in Europa mit dem sogenannten Orient und den fantastischen Welten aus 1001 Nacht verband. Neben Turbanen und Haremshosen entwarf er Kleider, deren ausladende Säume mit Drahtreifen verstärkt wurden und die darum auch „Lampenschirmkleider“ genannt wurden.

Poiret war nicht der Einzige, der von den fließenden ‚orientalischen‘ Gewändern fasziniert war. Die von 1001 Nacht inspirierten Kostüme der Tanzkompanie Ballets Russes ließen die romantischen Vorstellungen vom Orient wieder aufleben, die Delacroix oder Ingres in ihren beliebten Gemälden einige Jahrzehnte vorher festgehalten hatten. Haremshosen und Turbane erfreuten sich großer Beliebtheit. In der westlichen Welt standen sie für eine vermeintliche orientalische Sinnlichkeit und Dekadenz und trafen den Nerv der Zeit. Auch Sophie Taeuber-Arp konnte sich der Orientbegeisterung offensichtlich nicht entziehen und posierte mit einem solchen selbstentworfenen (Tanz-)Kostüm.

Poirets Designs waren nicht nur für die Damenwelt revolutionär, er verstand es auch seine Ideen als eigene Marke zu etablieren. Als Erster verkaufte er neben seinen Kleidungsstücken Entwürfe in Form von Modealben, die er in geringer Stückzahl verlegen ließ. Seine Kleidung zeugt heute noch von Inspirationskraft und der spielerischen Freude an außergewöhnlichen Designs.

  • Porträt Sophie Taeuber-Arp, Fotografie: unbekannt

Mode X Kunst | Verkaufsträchtige Kollaborationen

Keith Harings Dr. Martens, 2021, © Foto: Dr. Martens
Nike Vandal, Design by Roy Lichtenstein, 2009 © Nike

In unserer heutigen Zeit stehen Mode und Kunst in einem engeren Austausch denn je. Davon zeugen nicht zuletzt die zahlreichen Kooperationen, die nicht nur zwischen High-Fashion Marken und Künstler*innen bestehen, sondern längst in der Fast-Fashion Industrie angekommen sind.

Als eine der ersten ihrer Art gilt sicherlich die Zusammenarbeit zwischen Elsa Schiaparelli und Salvador Dalí in den 1930er Jahren. Auf das extravagante Abendkleid der Modemacherin malte Dalí einen großen Hummer – ein surrealistischer Geniestreich!

In den 1960er Jahre machte das freundschaftliche Duo Yves Saint Laurent und Andy Warhol von sich reden. Laurent griff 1966 für eine seiner Kollektionen Elemente aus der Pop-Art-Bewegung auf.

Natürlich ist nichts naheliegender als eine Liaison zwischen Pop-Art und Mode. So lassen sich zahlreiche Beispiele für diese Verbindung finden: Roy Lichtensteins Entwurf für einen Nike Turnschuh (2009), eine Keith Haring Kollektion des englischen Schuhherstellers Doc Martens (2021) oder die ikonische Pop-Art Collection von Versace (1991).

Fashion Brands setzen aber ebenso auf Kollaborationen mit zeitgenössischen Künstler*innen. Das Luxuslabel Louis Vuitton arbeitete 2017 mit dem Superstar Jeff Koons für eine Taschenkollektion zusammen. Unter dem Titel „Masters“ interpretiert der Künstler Meisterwerke der Kunstgeschichte für die Handtasche. Neben der Mona Lisa prangen so ausgewählte Werke Turners, Gauguins oder Monets auf den längst vergriffenen Taschen.

Doch nicht nur Künstler*innen scheinen für Modeketten von Interesse zu sein, auch Kollaborationen mit Museen sind mittlerweile salonfähig. In der aktuellen Kollektion des japanischen Labels UNIQLO sind T-Shirts und Pullover mit Stücken aus der Sammlung des Louvre zum günstigen Preis zu erstehen.

Die Grenzen zwischen Mode und Kunst sind tatsächlich kaum noch auszumachen. Hier setzen die Stipendiat*innen des Künstlerhauses Schloss Balmoral und des Landes Rheinlan-Pfalz an, deren Arbeiten im Folgenden beleuchtet werden.

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Luxus und Glamour

  • Met Gala 2019 men
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    Darren Chris, Harry Styles, Billy Porter, Jard Leto und Ezra Miller (v. l. n. r.) bei der Met Gala 2019
  • Greta Garbo
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    Greta Garbo
  • Met Gala 2019 Lady Gaga
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    Lady Gaga bei der Met Gala 2019
  • Met Gala 2019 Katy Perry
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    Katy Perry bei der Met Gala 2019

Lu·xus

Substantiv, maskulin [der]

kostspieliger, verschwenderischer, den üblichen Rahmen (der Lebenshaltung) stark übersteigender, nur dem Genuss und Vergnügen dienender Aufwand

Gla·mour

Substantiv, maskulin oder Substantiv, Neutrum [der]

blendender, betörender Glanz [dem gelegentlich etwas Künstliches anhaftet]

Über·fluss

Substantiv, maskulin [der]

große, über den eigentlichen Bedarf hinausgehende Menge

Künstlerische Perspektiven in Mode und Schmuck

In der Ausstellung Luxus & Glamour. Vom Eigensinn des Überflüssigen fragen 18 Stipendiat*innen des Künstlerhauses Schloss Balmoral und des Landes Rheinland-Pfalz aus Sicht der Kunst nach dem facettenreichen Verhältnis von Mode, Kunst, Luxus, Glamour, Konsum und Überfluss. Die Perspektiven sind vielfältig. Die Ergebnisse reichen von tragbaren und nicht tragbaren Kleidungsstücken und Accessoires über Luxusobjekte und Kunstwerke bis hin zu einem Popup-Shop.

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Künstlerisches Tun — Exzess und Entzug

  • Sleepers, Thomas Perrin, 2019
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    Sleepers, Thomas Perrin, 2019
    © Foto: Helmut Reinelt
  • Sleepers, Thomas Perrin, 2019
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    Sleepers, Thomas Perrin, 2019
    © Foto: Helmut Reinelt

Die Herstellung, genauso wie die Wahrnehmung von Kunst kann als eine Art Luxuserfahrung charakterisiert werden. Insbesondere die Freiheit, sich während des künstlerischen Schaffens etwas scheinbar Überflüssigem hinzugeben. Diesen Luxusmoment thematisieren die Arbeiten von Thomas Perrin und Lydia Nüüd auf unterschiedliche Weise.

Perrins Schöpfungen bilden die vermeintlichen Arbeitsbedingungen von Künstler*innen ab. Ist Kunst keine Arbeit?! In seinem Werk gewährt er einen intimen Einblick: miniaturhafte und monochrome 3D-Drucke zeigen eine im Bett schlafende männliche Figur. Das Paradox zwischen der dem/r Künstler*in zugeschriebenen Rolle als Faulenzer*in und der realen Arbeitssituation wird so aufgedeckt und kritisch hinterfragt.

Die künstlerische Praxis Lydia Nüüds knüpft aus einer anderen Perspektive an die Frage nach dem Selbstverständnis von Künstler*innen an. Sie wendet sich einer Arbeitsweise zu, die verausgabend und ausschweifend ist. Das Ausgangsmaterial für ihre riesigen abstrakten Installationen bildet Geschenkband, dass sie in einem zeitintensiven Prozess häkelt und bearbeitet. Die ausgestellten farbenfrohen Objekte entstanden über mehrere Jahre und können durch ihren modularen Aufbau an die jeweilige Raumsituation angepasst werden. Die Wandelbarkeit ihrer Skulpturen manifestiert sich eindrucksvoll im Bahnhofsfoyer sowie in einer raumgreifenden Installation auf der Patronatsetage im Neubau.

Thomas Perrin

Vita

(*1995 in Remiremont, Frankreich)

studierte 2012-2017 am ISBA-Institut supérieur des beaux-arts de Besanςon Franche-Comté (vormals ERBA - École régionale des beaux-arts de Besanςon), Frankreich. Thomas Perrin lebt und arbeitet in Besanςon.

Lydia Nüüd

Vita

(*1953 in Tartu, Estland/Estonia)

studierte 1968–1972 an der Tartu Art School (Tartu Kunstikool) und 1982–1988 an der Estnischen Kunstakademie (Eesti Kunstiakadeemia, EKA) in Tallinn. Lydia Nüüd lebt und arbeitet in Koblenz.

www.lydianyyd.de

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Kleidung und Körper

  • pleated turtle neck dress (Ausschnitt)
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    pleated turtle neck dress aus der Serie Sculpture dresses, Sarah Ama Duah, 2019
    © Sarah Ama Duah | Foto: Pasarella Photography
  • Sculpture Dresses, Sarah Ama Duah, 2019
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    Sculpture Dresses, Sarah Ama Duah, 2019
    © Sculpture Dresses, Sarah Ama Duah, 2019 | Foto: Helmut Reinelt
  • Sculpture Dresses, Sarah Ama Duah, 2019
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    Sculpture Dresses, Sarah Ama Duah, 2019
    © Sculpture Dresses, Sarah Ama Duah, 2019 | Foto: Helmut Reinelt

Dem Zusammenhang zwischen Kleidung und Körper spüren die Arbeiten von Sarah Ama Duah und Alexandra Deutsch nach. Ihre Werke wandeln sich durch den menschlichen Körper als Träger.

Sarah Ama Duah verknüpft mit ihren Sculpture Dresses Bildhauerei und Mode in überraschender Weise miteinander. Second-Hand Kleidungsstücke überzieht sie mit Silikon, wodurch sie einen steifen und monochromen Look erhalten. Durch diesen Prozess erhalten die Kleidungsstücke einen skulpturalen Charakter. Die Arbeiten werden auf Bügeln hängend präsentiert. Die Abwesenheit des tragenden Körpers verstärkt die skulpturale Eigenständigkeit der immer noch tragbaren Kleidungsstücke.

Alexandra Deutschs textile Plastiken gewinnen durch das Tragen am Körper eine weitere Dimension. Die organisch anmutenden Tentakel und Wurzeln ihrer Raíces rojas erwachen während Performances mithilfe des Körpers der Künstlerin zum Leben. Deutsch eröffnet mit ihren Stoffgebilden einen Dialog zwischen Objekt und Subjekt, der durch Choreografien und improvisierte Bewegungsabläufe weitere Assoziationsketten auslöst.

Sarah Ama Duah

Vita

(*1989 in Bremen)

ist studierte Modedesignerin. Sarah Ama Duah lebt und arbeitet in Berlin.

www.sarah-ama-duah.com

Alexandra Deutsch

Vita

(*1968 in Karlsruhe)

studierte 1988–1995 an der Akademie für Bildende Künste Mainz und an der École nationale des beaux-arts de Dijon, Frankreich. Alexandra Deutsch lebt und arbeitet in Wiesbaden.

www.alexandra-deutsch.de

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Identität und Gender

  • Requisiten der Performance »Die Hure schlägt zurück«, Anna Lucia Nissen, 2019
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    Requisiten der Performance »Die Hure schlägt zurück«, Anna Lucia Nissen, 2019
    © Foto: Helmut Reinelt
  • Gauntlet aus Die Hure schlägt zurück, Anna Lucia Nissen, 2019/20
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    Gauntlet aus »Die Hure schlägt zurück«, Anna Lucia Nissen, 2019/20
  • untitled (Frühlingsbilder), Lukas Schmenger, 2019
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    untitled (Frühlingsbilder), Lukas Schmenger, 2019
    © Foto: Helmut Reinelt
  • untitled (Frühlingsbilder), Lukas Schmenger, 2019
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    untitled (Frühlingsbilder), Lukas Schmenger, 2019
    © Foto: Achim Kukulies

Welchen Einfluss Mode auf die Kategorisierung von Körpern hat, beweist Anna Lucia Nissen während ihrer Performance Die Hure schlägt zurück. Sie performt in wechselnden Rollen eigens dafür geschriebene Texte, die sich mit Machtverhältnissen zwischen den Geschlechtern auseinandersetzen. Die Rollen wechselt Nissen dabei allein durch das Experimentieren mit der eigenen Stimme und einer sich verändernden Körpersprache. Ihr Outfit spielt trotzdem eine wichtige Rolle, weil es von vornherein mit geschlechtlichen Zuschreibungen spielt. Für ihre Performance fertigte Nissen metallene Sporen für ihre High Heels, sowie einen Fehdehandschuh mit vergoldeter Plattenpanzerung an. Die Härte des Metalls prallt während der Inszenierung auf die weiblichen Attribute und verdeutlicht die Problematik festgeschriebener Geschlechterrollen.

In den Gemälden von Lukas Schmenger stehen sich die Geschlechter versöhnlich gegenüber. Experimentell entwirft der Künstler seine Kompositionen zunächst auf der Rückseite der Leinwand. Auf der Vorderseite entstehen durch einen aufwendigen Prozess so Flächen und Linien, die an nackte Körper erinnern. Unklar bleibt, ob wir als Betrachter*innen, ähnlich eines Röntgenbildes in die Körper hineinsehen können oder, ob wir nur das Äußere betrachten. Durch die Überlagerung der Flächen und Linien wirken die Malereien wie eine Mischung aus medizinischem Lehrmaterial und Zukunftsvisionen.

Anna Lucia Nissen

Vita

(*1985 in Berlin)

studierte 2009–2012 an der Universität der Künste (UdK) Berlin und 2012–2015 an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste – Städelschule in Frankfurt am Main und der Glasgow School of Art. Anna Lucia Nissen lebt und arbeitet in Berlin.

Lukas Schmenger

Vita

(*1981 in Filderstadt)

studierte 2003–2004 an der Akademie für Bildende Künste Mainz und 2004–2009 an der Kunstakademie Düsseldorf. Lukas Schmenger lebt und arbeitet in Köln.

www.lukasschmenger.de

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Kleidung und Zukunft

  • Work trousers c. future & Work jacket c. future, Elif Saydam, 2020
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    Work trousers c. future & Work jacket c. future, Elif Saydam, 2020
    © Foto: Helmut Reinelt
  • Work trousers c. future & Work jacket c. future, Elif Saydam, 2020
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    Work trousers c. future & Work jacket c. future, Elif Saydam, 2020
    © Foto: Helmut Reinelt
  • Femme (Sur)Vival, Anna Herrgott, 2020
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    Femme (Sur)Vival, Anna Herrgott, 2020
    © Foto: Helmut Reinelt
  • Femme (Sur)Vival, Anna Herrgott, 2020
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    Femme (Sur)Vival, Anna Herrgott, 2020
    © Foto: Helmut Reinelt

Wie Kleidung in der Zukunft aussieht, fragen zwei Arbeiten im Nordraum der Ausstellung. Elif Saydam entwirft mit ihrer Installation eine Dystopie, in der Bienen ausgestorben sind. Die entworfenen Kleidungsstücke sind Teil der Arbeitskleidung für Künstler*innen, die nun das Bestäuben von Pflanzen übernehmen. Applikationen wie z. B. vergoldete Nudeln auf Jeans-Stoffen sind hierbei als Versuch zu verstehen, der künstlerischen Individualität Ausdruck zu verleihen. Die aufgefächerte Präsentationsform referiert auf die Abwesenheit eines menschlichen Trägers. Die Kleidungsstücke wirken wie Jagdtrophäen einer vermeintlich erfolgreichen Jagd nach Einzigartigkeit.

Femme Vival titelt die raumgreifende Arbeit Anna Herrgotts. Die Betrachter*innen werden mithilfe eines überdimensionalen goldschimmernden Spiegels selbst zum glamourösen Covergirl eines imaginären Hochglanzmagazins. Die in die Glasfläche eingravierten Headlines verweisen jedoch auf die längst vorherrschende Klimakatastrophe. In Anbetracht der jüngsten Diskussionen rund um ‚Fast Fashion‘ sind die Betrachter*innen demnach aufgerufen, sich mit ihrem eigenen, luxuriösen Konsumverhalten von Mode auseinanderzusetzen.

Elif Saydam

Vita

(*1985 in Calgary, Kanada/Canada)

studierte 2005–2009 an der Concordia University in Montréal, Kanada, und 2013–2016 an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste – Städelschule in Frankfurt am Main. Elif Saydam lebt und arbeitet in Berlin.

Anna Herrgott

Vita

(*1983 in Herrenberg)

studierte 2004-20120 an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Anna Herrgott lebt und arbeitet in Bad Ems.

www.anna-herrgott.de

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Individualität und Kollektivität

  • The pleasure of fashion in always superficial existence, Ekachai Eksaroj, 2020
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    The pleasure of fashion in always superficial existence, Ekachai Eksaroj, 2020
    © Foto: Helmut Reinelt
  • Spiegel des Neids, Eunmi Chun, 2019
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    Spiegel des Neids, Eunmi Chun, 2019
    © Foto: Helmut Reinelt
  • Eisbär Brosche, Eunmi Chun, 2011
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    Eisbär Brosche, Eunmi Chun, 2010
    © Foto: Helmut Reinelt
  • Gorilla Brosche, Eunmi Chun, 2010
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    Gorilla Brosche, Eunmi Chun, 2010
    © Foto: Helmut Reinelt
  • Wings of the blue bird & Wings of the eagle, Eunmi Chun, 2018
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    Wings of the blue bird & Wings of the eagle, Eunmi Chun, 2018
    © Foto: Helmut Reinelt
  • Poser, Aneta Kajzer, 2020
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    Poser, Aneta Kajzer, 2020
    © Courtesy die Künstlerin und CONRADS Düsseldorf
  • Ausstellungsansicht »Luxus und Glamour« mit Werken Aneta Kajzers
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    Ausstellungsansicht »Luxus und Glamour« mit Werken Aneta Kajzers
    © Foto: Helmut Reinelt

Ein weitreichendes Paradox der Mode ist das Streben nach Individualität, das zugleich allen Menschen gemein ist. Ekachai Eksaroj fragt, wie Kleidung von angesagten Modedesigner*innen Individualität verleihen kann, wenn sie zugleich millionenfach verkauft wird. Zu diesem Zweck hat der Künstler im Foyer einen exklusiven Verkaufsraum einer fiktiven Modemarke entworfen – jedoch sind keine Kleidungsstücke in diesem zu finden. Gekonnt versinnbildlicht Eksaroj dabei die sich immer weiter annähernden Verkaufs- und Präsentationskonzepte von Modemarken und Kultureinrichtungen.

Die Grenzen zwischen Kunst und Mode testen die Schmuckstücke Eunmi Chuns aus. Ihre Kreationen alternieren zwischen tragbaren Accessoires und eigenständigen Kunstobjekten. Mit Spiegel des Neids, einer Kollektion von Broschen aus Edelstahl und Silber beleuchtet die Künstlerin die Diskrepanz zwischen Selbst- sowie Fremdwahrnehmung und reflektiert die Konstruiertheit von Selbstentwürfen.

Vorherrschende Idealvorstellungen und Normen bilden das Referenzkonzept der Gemälde Aneta Kajzers. Farben und Formen bringt die Künstlerin zunächst intuitiv auf die Leinwand. Erst im Laufe des Gestaltungsprozesses greift sie diverse Elemente auf, die sie konkreter ausarbeitet. In einer assoziativen Auseinandersetzung mit den so entstandenen Farben und Formen entstehen eigentümliche Kreaturen, die durch Verzerrungen uneindeutig bleiben. Kajzer hinterfragt häufig Vorstellungen von Schönheit, geschlechtlicher Identität und sozialen Rollenbildern.

Ekachai Eksaroj

Vita

(*1978 in Bangkok, Thailand)

studierte 2007–2012 an der Kunsthochschule Kassel und 2012–2013 an der Hochschule für Bildende Künste (HBK) Braunschweig. Ekachai Eksaroj lebt und arbeitet in Kassel.

www.ekachaieksaroj.de

Eunmi Chun

Vita

(*1971 in Chungbuk, Südkorea/ South Korea)

studierte 1997–1999 an der Sookmyung Women’s University in Seoul, Südkorea, 1999–2002 an der Kookmin University in Seoul und 2004–2011 an der Akademie der Bildenden Künste München. Eunmi Chun lebt und arbeitet in München.

Aneta Kajzer

Vita

(*1989 in Kattowitz, Polen)

studierte 2011-2017 an der Kunsthochschule Mainz an der Johannes Gutenberg-Universität. Aneta Kajzer lebt und arbeitet in Berlin.

www.anetakajzer.de

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Material und Glamour

  • Threadingdoek: Spielzeig, Fanny Harlfinger-Zakucka (2020) & Threadingdoek: the artist and her model Geneva, Marie Louise Breslau (2020), Vera Gulikers
    Threadingdoek: Spielzeig, Fanny Harlfinger-Zakucka (2020) & Threadingdoek: the artist and her model Geneva, Marie Louise Breslau (2020), Vera Gulikers
    © Foto: Helmut Reinelt

Manchen Materialien haftet eine glamouröse Aura an. In dem etwas vergoldet oder versilbert wird, erhöht sich der vermeintliche Wert des Objektes. Den Zusammenhang zwischen Material und Glamour legen János Fodor und Vera Gulikers mit unterschiedlichen Strategien offen.

So zeigt Fodor eine ungewöhnliche Kollektion von Schmuck- und Kleidungsstücken, bei denen er auf künstlerische Strategien und Strömungen wie Readymade und Pop-Art zurückgreift. Er verwendet für seine Arbeiten billige Materialien der Konsumwelt und bearbeitet diese mithilfe unterschiedlichster Techniken. Die Einzelstücke sind durch ihre Einzigartigkeit Haute Couture und entziehen sich aufgrund des verwendeten Materials zugleich dieser Kategorisierung.

Vera Gulikers begreift Luxus bei ihren Malereien als Veredelung und Ausschmückung. Sie rekurriert in ihren Arbeiten auf die Bildsprache der »Pattern and Decoration«-Bewegung und verknüpft sie mit dem kritischen Diskurs über die Bedingungen weiblicher Kreativität zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Neben einer ornamentalen Ausgestaltung nutzt Gulikers in ihren Gemälden ebenso die Technik der Beflockung, wodurch die Linien eine reliefhafte und weiche Oberfläche erhalten.

János Fodor

Vita

(*1975 in Budapest, Ungarn)

studierte 1998-2004 an der Ungarischen Akademie der Bildenden Künste (Magyar Képzőművészeti Egyetem, MKE) in Budapest. János Fodor lebt und arbeitet in Berlin und Budapest.

Vera Gulikers

Vita

(*1991 in Meersen, Niederlande)

studierte 2010-2014 an der Academie Beeldende Kunst Maastricht (ABKM) und 2014-2016 an der Sint Lucas Antwerpen. Vera Gulikers lebt und arbeitet in Maastricht.

www.veragulikers.com

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Körper und Raum

Die Stipendiat*innen Rut Blees Luxemburg und Nicole Ahland setzen sich in ihren fotografischen Arbeiten mit spezifischen Orten auseinander. Blees Luxemburg verbrachte ihr Stipendium in der Königlichen Saline der ostfranzösischen Gemeinde Arc-et-Senans. Währenddessen begab sich die Künstlerin auf eine fotografische Spurensuche über die Widersprüchlichkeiten des vom Architekten Ledoux entworfenen Ortes.

Die Fotografien von Nicole Ahland faszinieren durch die Abwesenheit menschlicher Subjekte. Was erzählt die Beschaffenheit von Räumen über die individuelle und soziale Verfasstheit von Menschen, die sich darin aufhalten und diese gestaltet haben? Im Rahmen des Projektstipendiums des Künstlerhauses reiste Ahland durch Ostdeutschland, recherchierte und fotografierte. Die Werkserie Stille Provinzen erzählt von den Spuren des Strukturwandels seit 1989, der von Verfall, Leere und Stagnation geprägt ist.

Judith Leinen verbrachte ihr Stipendium in New York – auch hier wirkte der Ort unmittelbar auf den künstlerischen Prozess. Leinen beobachtete nicht nur Menschen auf den Straßen, in der U-Bahn und anderen öffentlichen Räumen. Sie nahm alltägliche Gegenstände und Elemente der gebauten Umwelt in den Blick. Die zahlreichen Fotografien mit schnapp­schuss­artigem Charakter erinnern an eine Art Tagebuch. Im engen Zusammenhang zu den Fotografien entstanden ebenso grafische Objekte und Zeichnungen. In der Installation Using Priority setzt die Künstlerin die Beschäftigung mit räumlichen Fragen weiter fort, erweitert sie aber um Aspekte von Transport und Logistik.

Rut Blees Luxemburg

Vita

(*1967 in Trier)

studierte 1990–1993 am London College of Printing and Distributive Trades (CDT) und 1994–1996 an der University of Westminster in London. Rut Blees Luxemburg lebt und arbeitet in London.

www.rutbleesluxemburg.com

Nicole Ahland

Vita

(*1970 in Trier)

studierte 1999–2005 an der Akademie für Bildende Künste Mainz. Nicole Ahland lebt und arbeitet in Wiesbaden.

www.nicole-ahland.de

Judith Leinen

Vita

(*1985 in Prüm)

studierte 2004-2011 an der Kunsthochschule Mainz an der Johannes Gutenberg-Universität (bis 2010 Akademie für Bildende Künste Mainz) und der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Judith Leinen lebt und arbeitet in Boulder, Colorado.

www.judithleinen.com

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