Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp zählen zu den bedeutendsten Künstlern der Avantgarde im 20. Jahrhundert. Als Pioniere der abstrakten Kunst schufen sie ein einzigartiges Werk. Die Künstler lernten sich 1915 in Zürich kennen. Obwohl sie Grundwerte und Einstellungen zur Kunst teilten, ist ihr künstlerisches Schaffen sehr unterschiedlich. Beide waren jedoch offen und undogmatisch. Dies zeigt sich auch in einigen Werken, die sie gemeinsam schufen.
Hans (Jean) Peter Wilhelm Arp wird am 16. September 1886 im damals deutschen Straßburg geboren. Sophie Henriette Gertrud Taeuber erblickt drei Jahre später, am 19. Januar 1889, im schweizerischen Davos das Licht der Welt. Früh entdecken beide ihre Liebe zur Kunst.
Nach mehreren Anläufen an den Kunstschulen in Straßburg, Weimar und schließlich an der Académie Julian in Paris entscheidet sich Arp gegen eine akademische Ausbildung. Autodidaktisch arbeitet er an einer eigenen Formensprache.
In Paris stellt er 1907 in der Galerie Bernheim Jeune mit Matisse und Signac aus. Er zieht in die Schweiz. Hier entstehen erste ungegenständliche Bilder, die er nach eigener Aussage zerstört.
Mit Oscar Lüthy und Walter Helbig gründet er im Weggis 1911 die Künstlervereinigung »Der moderne Bund«, die wegbereitend für die Rezeption der Moderne in der Schweiz sein wird.
Sophie Taeuber indes führt ihre schulische Ausbildung zwischen 1910 und 1914 mit einem Studium an der renommierten Debschitzschule für freie und angewandte Kunst fort. Sie erlernt handwerkliche Techniken, die auch das Fundament ihrer Arbeit als freie Künstlerin bilden. Die dortige Ausbildung unterbricht sie für Studien an der Hamburger Kunstgewerbeschule.
Arp steht während dieser Zeit durch Wassily Kandinsky in engem Kontakt zum »Blauen Reiter« in München, stellt gemeinsam mit der Gruppe aus und ist an deren gleichnamigem Almanach beteiligt. In Berlin arbeitet er für Herwarth Waldens Galerie »Der Sturm« und ist 1913 beim ersten deutschen Herbstsalon vertreten. 1914 lernt er in Köln Max Ernst kennen. Bei Kriegsausbruch verlässt Arp Köln Richtung Paris. Aufgrund der sich zuspitzenden Kriegssituation muss er wenig später Frankreich verlassen und zieht in die politisch neutrale Schweiz.
Sophie Taeuber tritt dem »Schweizer Werkbund« bei. Sie wohnt nun in Zürich. Während der Ausstellung »Moderne Wandteppiche, Stickereien, Malereien, Zeichnungen« in der Galerie Tanner, bei der Arp gemeinsam mit Otto van Rees und Adya van Rees-Dutilh ausstellt, begegnen sich beide im November 1915 zum ersten Mal. Einige Zeit später – wahrscheinlich im Frühjahr 1917 – werden sie ein Paar.
Hans Arp ist gemeinsam mit Hugo Ball, Emmy Hennings und Tristan Tzara Gründungsmitglied der Dada-Bewegung, die ihren legendären Auftakt am 5. Februar 1916 im Zürcher »Cabaret Voltaire« nimmt.
Hans Arp veröffentlicht Gedichte und Textcollagen, illustriert Bücher und Dada-Zeitschriften. Es entstehen erste gemeinschaftliche Arbeiten, darunter geometrische Collagen später auch Holzplastiken. An der Kunstgewerbeschule Zürich arbeitet Sophie Taeuber als Lehrerin für textiles Entwerfen und sichert somit den Lebensunterhalt des Künstlerpaares. Sie zeichnet vertikal-horizontale Kompositionen und Gouachen, die als Entwürfe für textile Umsetzungen dienen. Sie sind bereits ganz der geometrischen Abstraktion verpflichtet.
Bereits seit 1915 steht Sophie Taeuber in Kontakt zur Schule für Bewegungskunst von Rudolf von Laban. Anlässlich der Eröffnung der Galerie Dada 1917 tanzt sie moderne Ausdruckstänze. Gemeinsam treten Sophie Taeuber und Arp der Künstlervereinigung »Das Neue Leben« bei. Für die Neufassung von Carlo Gozzis »König Hirsch« inszeniert Taeuber das avantgardistische Bühnenbild und fertigt die Marionetten. Zudem entsteht eine Reihe porträtartiger Holzskulpturen, die Dada-Köpfe. Für Arp werden der Holzschnitt und abstrakte Reliefs zu seinem wichtigsten Ausdrucksmittel. Mehr und mehr entwickelt er eine rein organische Bildsprache. Die internationale Ausrichtung der Dada-Bewegung zieht die Gründung verschiedener Dada-Zentren nach sich. Mit Ernst und Baargeld gehört Arp zum Kern der Kölner Dadagruppe. »Der Vogel selbdritt« und »Die Wolkenpumpe«, Sammlungen von Textcollagen, erscheinen.
Sophie Taeuber beginnt, sich von den strengen vertikal-horizontalen Rastern zugunsten bewegterer Ordnungen zu lösen. Gemeinsame Reisen führen das Paar nach Florenz und Siena. 1922 nimmt Arp am internationalen Kongress der Konstruktivisten und Dadaisten in Weimar teil. Im Oktober heiraten Arp und Taeuber in Pura im Tessin. Kurt Schwitters verlegt in seinem Merz-Verlag die »7 Arpaden«. In Zusammenarbeit mit El Lissitzky gibt Arp die dreisprachige Publikation »Kunstismen« heraus, in der die Hauptkunstrichtungen der Avantgarde aus der Zeit zwischen 1914 und 1924 erfasst sind. In Paris mietet Arp ein Atelier in der Villa des Fusains am Fuße des Montmartre. Zu ihren Nachbarn zählen Ernst und Miró. Kontakte zu den Surrealisten führen zur Teilnahme an deren erster Ausstellung in der Galerie Pierre in Paris. Arps Gesuch die Schweizer Staatsbürgerschaft anzunehmen scheitert. Während er in Paris lebt verbringt seine Frau wegen ihres Lehramts die meiste Zeit in Zürich. Erneut in Paris ist sie Mitglied der Jury für die Ausstellung »Exposition internationale des arts décoratifs et industriels modernes«. Nach zahlreichen Erfolgen in europäischen Ausstellungen werden ihre Wandteppiche in der »International Exhibition of Modern Tapestries« im Toledo Museum of Arts in den USA gezeigt.
Das Paar zieht nach Straßburg. Beide nehmen die französische Staatsbürgerschaft an. Die Künstlerin erhält eine Reihe von Aufträgen für monumentalen Wandgestaltungen. Auch bei diesen basieren ihre Entwürfe allein auf geometrischen Formen und stark abstrahierten Figuren. Nach der Ausgestaltung einiger Privaträume und dem Hôtel Hannong beauftragen die Gebrüder Horn sie bald mit dem umfangreichsten Projekt: der »Aubette«. Hinter der klassischen Fassade des Gebäudes aus dem 18. Jahrhundert entsteht ein modernes Vergnügungspalais mit Bar, Teesalon und Tanzlokal. Für den Auftrag zieht sie ihren Mann und den De Stijl-Gründer Theo van Doesburg hinzu.
Das Ergebnis ist ein avantgardistisches Gesamtkunstwerk, eine »Sixtinische Kapelle der zeitgenössischen Kunst«.
Taeuber-Arp pendelt während der Arbeiten weiter zwischen Straßburg und Zürich. Eine erste Einzelausstellung Arps findet 1927 in der Pariser Galerie Surréaliste statt. In Meudon bei Paris entsteht nach Sophies Entwürfen ihr Wohn- und Atelierhaus. Durch zahlreiche Aufträge ist das Paar nun finanziell unabhängiger. 1929 gibt die Künstlerin ihre Stellung an der Kunstgewerbeschule auf.
Taeuber-Arp kann sich nun mehr auf ihre rein künstlerischen Ziele konzentrieren. Beide werden Mitglied der Künstlergruppen »Cercle et Carré« und – in deren Folge – »Abstraction-Création«. Zahlreiche Gedichte Hans Arps werden veröffentlicht. Darunter »weißt du schwarzt du«, illustriert mit Klebebildern von Max Ernst. Der Künstler entwickelt die »papiers déchirés«, Collagen, bei denen Zufall und Vergänglichkeit wichtige Bestandteile sind. Das Prinzip des Anordnens gleicher Elemente setzt er in seinen »Konstellationen« um. Es entstehen erste organische, rundplastische Arbeiten in Gips, bei denen allein die Natur Pate steht.
Das Künstlerpaar stellt im Museum im polnischen Lodz aus. Erstmalig gelangen ihre Werke in eine Museumssammlung. Das Museum of Modern Art in New York zeigt Arps Werke in der Ausstellung »Fantastic Art, Dada and Surrealism«. Die Sammlerin Marguerite Hagenbach kauft regelmäßig Werke beider an. Es entstehen gemeinschaftliche Skulpturen wie die »Eheplastik«.
Sophie Taeuber-Arp ist Mitbegründerin der progressiven mehrsprachigen Künstlerzeitschrift »Plastique«. Sie wird Mitglied der schweizerischen Künstlergruppe »Allianz«. Die Galerie Jeanne Bucher widmet dem Künstlerpaar eine Ausstellung. Der Gedichtband »Muscheln und Schirme« mit Zeichnungen Sophie Taeubers erscheint. Als Reaktion auf das nationalsozialistische Regime nennt sich Hans Arp mit Kriegsbeginn nun meist Jean Arp. Seine Gedichte verfasst er nun vermehrt in französischer Sprache.
Vor den deutschen Besatzungstruppen flüchtet das Künstlerpaar aus Paris zunächst zu Gabrielle Buffet-Picabia nach Nérac. Nach einem kurzen Aufenthalt bei Peggy Guggenheim in Veyrier führt sie ihre Flucht ins südfranzösische Grasse. Dort können sie durch die Vermittlung von Susi und Alberto Magnelli im Château Folie wohnen. Sophie Taeuber-Arp beginnt ihre Zeichnungen regelmäßig zu datieren und zu signieren. Neben den »Lignes«, ihren mit Farbstiften komponierten Linienbildern, entstehen Gemeinschaftsarbeiten mit Arp, Alberto Magnelli und Sonja Delaunay. Als sogenanntes »Album Grasse« werden die Zeichnungen 1950 in Paris als Grafikmappe veröffentlicht. Im Privatdruck erscheint Arps Gedichtband »Poèmes sans prénoms« mit Zeichnungen seiner Frau.
Nachdem der Versuch einer gemeinsamen Emigration in die USA scheitert, reisen sie 1942 in die Schweiz. Hier entsteht eine letzte Serie von Tuschezeichnungen, segmentierte Kreise, von Linien durchkreuzt. Sophie Taeuber-Arp stirbt in der Nacht vom 12. auf den 13. Januar 1943 im Haus ihres Freundes Max Bill an einer Kohlenmonoxydvergiftung.
Der schmerzliche Verlust seiner Frau löst bei Arp eine tiefe Schaffenskrise aus. Ihren Tod verarbeitet er zunächst in Texten. Er widmet ihr »Le siège de l'air«, Gedichte, die er mit Duo-Zeichnungen aus dem Jahr 1939 illustriert.
Erst 1947 entstehen erneut Plastiken. Seit 1945 arbeitet er gemeinsam mit Hugo Weber an einer Monografie zum Werk Sophie Taeubers. Marguerite Hagenbach, langjährige Sammlerin und Förderin, wird seine Lebensgefährtin.
Anlässlich seiner Ausstellung bei Curt Valentin in New York reist Arp in die USA. Hier erscheint »Arp – on my way«, eine erste Textsammlung in englischer Sprache. Walter Gropius beauftragt ihn mit einem Wandrelief für das Harvard Graduate Center in Cambridge, weitere Aufträge für den öffentlichen Raum folgen. Arp erleidet einen ersten Herzinfarkt. 1954 erhält er den großen Preis für Plastik auf der Biennale in Venedig. Das Museum of Modern Art in New York widmet ihm eine umfassende Retrospektive. Es erscheint die Textsammlung »Zweiklang«, in der neben Arp auch Weggefährten des Paares die verstorbene Künstlerin ehren. Arps »Gesammelte Gedichte« erscheinen in den folgenden Jahren in drei Bänden. Die französische Textsammlung »Jours effeuillés« wird erst wenige Wochen nach seinem Tod veröffentlicht. Ende der 1950er Jahre beginnt Arp die Werkgruppe der Schwellenplastiken. Im Mai 1959 heiratet er Marguerite Hagenbach. Sie erwerben ein Anwesen in Locarno. Für die Universitätsbibliothek in Bonn entsteht eine Vergrößerung der »Wolkenschale«. In Köln erhält er die Stefan-Lochner-Medaille. Am 7. Juni 1966 stirbt Hans Arp in Basel an einem Herzinfarkt.
Hans Arp ist heute in den Sammlungen der wichtigen Museen vertreten und sein Einfluss auf die abstrakte Kunst, den Surrealismus und die dadaistische Poesie hat bis heute nicht an Relevanz verloren.
Sophie Taeuber-Arp stand stets im Schatten ihres Mannes. Ihre kunsthandwerklich geprägten Arbeiten wurden lange aus ihrem künstlerischen Werk ausgelassen. Nach und nach erkennt die Kunstgeschichte jedoch das großartige Vermächtnis dieser Künstlerin und ihr eigenständiges, vielfältiges Werk. In großen internationalen Ausstellungen werden ihre Textilarbeiten, Marionetten und Teppiche, wie auch ihre Gemälde und Grafiken entdeckt.
Das Arp Museum Bahnhof Rolandseck ist das einzige Museum, das sich auf der Grundlage seines umfangreichen Sammlungsbestands beiden Künstlern in ihrer Vielfalt und künstlerischen Bandbreite widmet. Mehr über die Geschichte der Arp-Sammlung und zur Entstehungsgeschichte des Museums erfahren Sie hier...