RRRRREALITY. FRANZISKA NAST | Bruchstücke des Alltags ODER das Immergleiche neu erfinden

30 Aug 2023

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    Afterhour ohne Afterhour | DJ Brom
    © Foto: Helmut Reinelt
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    Afterhour ohne Afterhour | DJ Brom & Dorfadel
    © Foto: Helmut Reinelt
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    Afterhour ohne Afterhour | Dorfadel
    © Foto: Franca Perschen
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    Afterhour ohne Afterhour | DJ Brom & Dorfadel
    © Foto: Franca Perschen
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    Afterhour ohne Afterhour | Franziska Nast
    © Foto: Helmut Reinelt
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    Afterhour ohne Afterhour
    © Foto: Helmut Reinelt
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    Afterhour ohne Afterhour
    © Foto: Helmut Reinelt
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    Afterhour ohne Afterhour
    © Foto: Helmut Reinelt
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    Afterhour ohne Afterhour | Ausstellungskatalog RRRRReality. Franziska Nast
    © Foto: Helmut Reinelt
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    Afterhour ohne Afterhour | ceramix / Lesung aus dem Austellungskatalog mit Olga Hohmann
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    Afterhour ohne Afterhour | ceramix / Julia Kaiser & coffee / Pascucci
    © Foto: Helmut Reinelt

»Was brummt hier so?«
»Das ist die Klimaanlage.«
»Ernsthaft?! Ich packe gleich das Aufnahmegerät aus!«

Afterhour ohne Afterhour

Der Sound der Klimaanlage

20. August 2023, 9.30 Uhr - wir bereiten gerade die Veranstaltung „Afterhour ohne Afterhour“ vor, die im Rahmen der Ausstellung „RRRRReality. Franziska Nast“ Literatur und Musik mit der Kunst der Hamburgerin in Verbindung bringt. Die Klimaanlage, die ohne das Stimmengewusel der Besucher*innen mal mehr mal weniger brummt, nehmen wir als Mitarbeiter*innen des Museums kaum noch wahr. Umso verblüffter war ich, dass dieses technische Gerät bei unserem musikalischen Act solche Begeisterungsstürme verursacht.

 

Das Dennis Gläser, aka Dorfadel, sich derart freut, lässt sich aus seiner Liebe für Klang und Akustik erklären. Er fängt insbesondere im Alltag Klänge ein, die er später in seiner elektronischen Musik weiterverarbeitet – mal als einfache Audiospur, mal verzerrt oder verfremdet. Ich habe ihn gefragt, bei welchen Geräuschen er besonders aufmerksam wird: „Ich werde grundsätzlich bei perkussiven Klängen aufmerksam, die eine haptische Komponente haben und ganz direkt auf die Beschaffenheit des sie verursachenden Materials verweisen. Zum Beispiel Sand oder feiner Kies, der auf einen Hohlkörper fällt. Diese Akustik macht den Raum klein und begrenzt, im Gegensatz zu eher sphärischen, bzw. ätherischen Klängen, die ich aber ebenso interessant finde. Das Aufnahmegerät ist immer dabei, selbst auf dem Weg zum Einkaufen. Und wenn dann in der Backwarenabteilung bei Lidl mehrere Öfen im Kanon Piepen, weil der Backvorgang beendet wurde, schalte ich es ein.“

 

Beim Sampling werden diese klanglichen Versatzstücke zu neuen Kompositionen zusammengeführt. Dorfadel findet hier insbesondere die Frage spannend, welche räumlichen Assoziationen bei gesampelten Stücken ausgelöst werden: „Als Hörer der Musik, in der solche Aufnahmen vorkommen bin ich dann plötzlich auch an einem Ort, der dem tatsächlichen vielleicht ähneln kann, aber vor allem auf Basis meiner eigenen Erinnerungen und Gefühle in meiner Vorstellung erschaffen wird. Noch weiter: werden verschiedene Aufnahmen miteinander kombiniert, entsteht durch die Überlagerung der einzelnen Rauminformationen, die jede Aufnahme besitzt, ein neuer Raum, den es in der materiellen Realität auf Grund der widersprüchlichen Schallmuster vielleicht gar nicht geben kann.“

Rrrrreality

Franziska Nast, in deren Ausstellung Dorfadel und DJ Brom für den Aktionstag auflegten, pflegt ebenfalls eine wechselnde Beziehung zu Räumen. Mal hält sie besondere Begebenheiten und Arrangements in ihren Werken fest, mal schafft sie ortsspezifische Arbeiten oder solche, die sich auf bestimmte Orte beziehen. Der Raum ist für die Künstlerin Anker und Spielwiese zugleich. Davon zeugen nicht nur die großen Sicksäcke, die die Konventionen des musealen Raums aufbrechen. Diese hat Franziska Nast eigenhändig gestaltet und mit literarischen Versatzstücken aus dem Ausstellungskatalog bedruckt. Der Rückgriff und die Wiederverwendung dieser Texte, den sogenannten Häppchen, lässt sich als künstlerisches Tun gleichsam als Sampeln, im Sinne einer Neukontextualisierung von bereits vorhandenem Material, begreifen.

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    RRRRReality. Franziska Nast | Tätowierung der Säulen 2023
    © Foto: Helmut Reinelt
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    RRRRReality. Franziska Nast | Tätowierung der Säulen 2023
    © Foto: Helmut Reinelt
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    RRRRReality. Franziska Nast | Tätowierung der Säulen 2023
    © Foto: Helmut Reinelt
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    RRRRReality. Franziska Nast | Tätowierung der Säulen 2023
    © Foto: Helmut Reinelt
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    RRRRReality. Franziska Nast | Tätowierung der Säulen 2023
    © Foto: Helmut Reinelt
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    RRRRReality. Franziska Nast | Tätowierung der Säulen 2023
    © Foto: Helmut Reinelt
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    RRRRReality. Franziska Nast | Tätowierung der Säulen 2023
    © Foto: Helmut Reinelt
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    RRRRReality. Franziska Nast | Tätowierung der Säulen 2023
    © Foto: Helmut Reinelt
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    RRRRReality. Franziska Nast | Tätowierung der Säulen 2023
    © Foto: Helmut Reinelt

»How long is to long for your dream« 2023

Die Tätowierung der Säulen 2023

Franziska Nast sampelt aber auch ihre eigenen Kunstwerke, fügt Dinge hinzu oder widmet sich mit immer neuen künstlerischen Methoden verschiedenen Topoi. Dies zeigt sich in besonders schöner Weise an den 2012 für die Ausstellung „Die Eroberung der Wand“ von ihr geschaffenen tätowierten Säulen des Richard Meier Baus. Abermals wirkte Franziska Nast hier in den musealen Raum, behandelte die weißen Säulen wie Körperteile und verewigte auf ihnen Motive ihres Lehrmeisters Herbert Hofmann und der Seefahrt. Aber auch Teile aus Hugo Montenegros Song „How long ist too long for you to dream“, dem die Säulen ihren Namen verdanken, hielt sie hierauf fest.

Im Rahmen der Ausstellung „RRRRReality“ widmete sich die Hamburgerin vergangene Woche wieder den Säulen. Über 10 Jahre nach dessen Entstehung, ergänzte sie ihr eigenes Kunstwerk unter anderem um die Namen des Aufsichtspersonals des Museums. Denn schließlich habe dieses in den vergangenen Monaten, die meiste Zeit in der Ausstellung und mit ihren Werken verbracht. Wie so oft wird hier wieder eine Verbindung zum Ort geschaffen und den darin tätigen Menschen. Eine Art Rückkopplung an das Gewesene, aber auch an das Hier und Jetzt, was durch das veränderte Werk neu bestimmt wird. Doch auch das Titelmotiv der Ausstellung, ein Paar Handschellen gepaart mit einer Rose, wurde aufgegriffen und von der Künstlerin auf der Säule verewigt. Steht man nun vor dem Motiv entsteht ein spannender Dopplungseffekt zur großformatigen Arbeit aus Reispapier, die eine der Wände in der Ausstellung ziert. Das Sampeln des Motives schafft einen neuen (Erinnerungs-)Raum, welcher vielfältige Assoziationen auslöst. Ganz so, wie es sich Dorfadel für seine Musik vorstellt…

 

Text: Meike Eiberger

Die  Säulen sind noch bis zum 17.09.2023 im Rahmen der Ausstellung zu sehen. Danach werden sie wieder ummantelt und erneuten in den Dornröschenschlaf geschickt...

  • Franziska Nast | The Evil and the x on Burnerchrome | 2009 | Foto: Franziska Nast
    Franziska Nast | The Evil and the x on Burnerchrome | 2009
    © und Foto: Franziska Nast

Exhibition-Playlist

Wer die Wechselwirkung zwischen Kunst und Musik selbst erfahren möchte, kann sich mithilfe der von Franziska Nast erstellten Playlist durch die Ausstellung navigieren. 

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