#ARPSLIEBLING | SCHLAFENDE BACCHANTIN

16 Jan 2021

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    Schlafende Bacchantin | Gustave Courbet | 1850
    © Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF Foto: Helmut Reinelt
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    Schlafende Bacchantin | Gustave Courbet | 1850 | Detail
    © Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF Foto: Helmut Reinelt
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    Schlafende Bacchantin | Gustave Courbet | 1850 | Detail
    © Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF Foto: Helmut Reinelt
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    Schlafende Bacchantin | Gustave Courbet | 1850 | Detail
    © Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF Foto: Helmut Reinelt
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    Schlafende Bacchantin | Gustave Courbet | 1850 | Ausstellungsansicht Kunstkammer Rau
    © Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF Foto: Helmut Reinelt
Olaf Mextorf | Freier Kunsthistoriker, Autor und Kunstvermittler

»Akt- und Naturdarstellungen – malerisch wie inhaltlich delikat – bleiben Courbets Lieblingsthemen, die ihn noch bis zum Ursprung der Welt führen werden.«

#ARPSLIEBLING

VERÄNDERTE WAHRNEHMUNG IN ZEITEN VON #METOO

»Das Schöne ist, wie auch die Wahrheit, abhängig von der Zeit, in der man lebt und auch von dem
Individuum, das fähig sein muss, sie wahrzunehmen«, schreibt Courbet. Und was nehmen wir wahr?
Eine entspannt wirkende Aktdarstellung? Oder eine zum Objekt männlicher Begierden herabgewürdigte
ohnmächtige Frau? Oder gar das Opfer eines Gewaltverbrechens? Schönheit oder Objektifizierung,
Sinnlichkeit oder Voyeurismus, Respekt oder Pornografie? Ja, unsere Wahrnehmung hat sich
in Zeiten von #MeToo verändert.


Doch Courbet kommt uns zur Hilfe und hat diesem vermutlich um 1844 herum gemalten Frühwerk
einen Titel gegeben! Als Bacchantin wissen wir die Frauengestalt dem Gefolge des Weingottes
Bacchus zuzuordnen. Entsprechend können wir ihren Zustand durch den Genuss des berauschenden
Getränkes erklären. Akt- und Naturdarstellungen – malerisch wie inhaltlich delikat – bleiben Courbets
Lieblingsthemen, die ihn noch bis zum Ursprung der Welt führen werden. Sie sehen: Wir sollten reden…

AUTOR

Olaf Mextorf | Freier Kunsthistoriker, Autor und Kunstvermittler für Führungen und die dialogische Kunstbetrachtung im Format »Der entschleunigte Blick«

INFO ZUR BEITRAGSREIHE

#ARPSLIEBLING | DIE LIEBLNGSKUNSTWERKE UND -ORTE UNSERER KUNSTVERMITTLER*INNEN

Welchen #arpsiebling haben eigentlich die freien Mitarbeiter*innen unserer Kunstvermittlung HANSUNDSOPHIE ? Sie sind an allen Themen rund um die Ausstellungen und das Museum interessiert und geben ihr umfangreiches Wissen in den verschiedensten Kunstvermittlungsformaten leidenschaftlich an unserer Besucher*innen weiter. Wir waren neugierig, für welches Werk ihr Herz besonders schlägt und haben eine wunderbare Sammlung von Lieblingskunstwerken mit sehr persönlichen Texten zusammengetragen.

Wir veröffentlichen sie hier an dieser Stelle regelmäßig während des Lockdowns und darüber hinaus. Nach der Wiederöffnung sind Sie als Postkarten mit Bild und Text im Museum zu finden und können bei einem Besuch sehr gerne mitgenommen werden.

ZWISCHENWELTEN

Wunderbare Zwischenwelten

In den Zwischenwelten liegen Ekstase, Schlaf und Tod eng nebeneinander. Dort ruht der schlafende Jesusknabe auf einem Totenschädel, der visionär auf seine Endlichkeit hinweist. Daneben setzt Gustave Courbet eine klassische Schönheit, eine Bacchantin, in Szene. Deren rauschhafte Ekstase soll sie dem Gott des Weins näherbringen. Anderen Träumern wie dem biblischen Jakob, eröffnen sich in spätmittelalterlichen Handschriften Brücken in den Himmel. Im Zeitalter des Humanismus liegen diese Zwischenwelten im Hier und Jetzt. In ihnen nimmt der Mensch aktiv und dynamisch sein Schicksal selbst in die Hand. Die Federzeichnungen der spätmittelalterlichen »Pilgerfahrt des menschlichen Lebens« scheinen aus einem modernen Comic entsprungen zu sein. Laut, expressiv und satirisch überspitzt schildern sie die verschlungenen und oft irrigen Lebenswege, die den fehlbaren Helden vom rechten Weg abbringen.

Punktuell beleuchten einige Fotografien die spätere Entwicklung. Die Technik- und Wissenschaftsbegeisterung des 18. und 19. Jahrhunderts führt dank der rasanten Schnelllebigkeit ihrer Entwicklung zu einer Flucht aus der Vernunft ins »Sommerland der Geister«. Der Spiritismus ist um 1900 eine weltweite große Volksbewegung, an der auch eine ganze Künstlergeneration teilnimmt: Victor Hugo, Rainer Maria Rilke und zahlreiche Surrealisten lassen sich von Geisterhand führen, schreiben automatisch, entdecken das Unbewusste. Die Fotos in der Ausstellung wurden Anfang des 20. Jahrhunderts von dem praktischen Arzt Schrenk-Notzing aus München gemacht. Wer damals in der Münchner Gesellschaft etwas auf sich hielt, ging zu ihm in seine spiritistischen Sitzungen. Im Zentrum dieser Séancen standen Medien, – meist junge Frauen wie Marthe Béraud – die angeblich übersinnliche Fähigkeiten hatten und imstande waren mit der Geisterwelt in Kontakt zu treten.


In wunderbaren Zwischenwelten spielen auch die frühen Stummfilme des Georges Méliès, einem der großen Pioniere seiner Zunft. Seine traumhaften Visionen waren bei Surrealisten wie Salvador Dalí oder Jean Cocteau sehr beliebt und ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Themenbereiche der Ausstellung.

DIE AUSSTELLUNG

Ausführliche Informationen zur aktuellen Ausstellung der Kunstkammer Rau sind unter folgendem Link zu finden:

KUNSTKAMMER RAU. TRAUM UND VISION | 1500 - 2000

nach der Wiederöffnung bis zum 07. März 2021

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